Empfohlen wird der Doppel-Piks schon lange. Hausärztinnen und Hausärzte haben es sich trotzdem bisher häufig nicht getraut, die Impfungen gegen Covid-19 und Grippe am selben Tag zu verabreichen. Zu groß war ihre Sorge davor, dass es dann zu stärkeren Nebenwirkungen kommen könnte, als wenn man zwischen den beiden Spritzen in den Muskel ein paar Tage vergehen lässt. Doch nun zeigt eine aktuelle Studie, dass diese Bedenken unnötig sind.
Der Empfehlung für den Doppel-Stich liegen gleich mehrere überzeugende Argumente zugrunde. Zum einen ist die Zielgruppe dieser beiden Impfungen so ziemlich die gleiche: Wer seinen 60. Geburtstag hinter sich hat oder an einer chronischen Krankheit leidet, dem ist nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko) jährlich eine Impfung mit dem neuesten, an die gerade kursierenden Influenza-Stämme angepassten Grippe-Impfstoff angeraten und auch eine Impfung gegen Covid-19 – sofern man sich nicht in den vergangenen zwölf Monaten ohnehin das Coronavirus eingefangen hat. Noch dazu sollten beide Impfungen im Herbst erfolgen. Corona, weil im Winter wegen des engeren Miteinanders in geschlossenen Räumen meist die nächste Infektionswelle ansteht; und Influenza, weil deren Saison üblicherweise Ende Dezember beginnt und im Januar/Februar ihren Höhepunkt hat.
Beide Impfungen seien auf einmal möglich, hatte die Stiko bereits im Herbst 2021 betont, als erstmals beide Impfungen auf dem Programm standen. Man sollte nur beide Arme nacheinander hinhalten, denn jede Spritze sollte in eine eigene Extremität gepikst werden, damit die durch den Impfstoff aktivierten Immunzellen einander nicht ins Gehege kommen. Auch das Robert-Koch-Institut schreibt, dass zwischen einer Covid-Impfung und anderen Totimpfstoffen wie den Influenzavakzinen, bei denen also keine lebenden Viren gespritzt werden, kein Impfabstand von 14 Tagen mehr eingehalten werden müsse: „Die Impfungen können gleichzeitig verabreicht werden. Die Injektion soll jeweils an unterschiedlichen Gliedmaßen erfolgen.“
Allerdings betont das RKI auch, dass die Impflinge darüber aufgeklärt werden müssten, dass es möglicherweise zu „vermehrten vorübergehenden lokalen und systemischen Impfreaktionen“ kommen könne. Dieses Risiko ist aber offenbar klein, wie nun die neue Studie zeigt, die im Journal of the American Medical Association Network Open erschienen ist: Für die Studie waren 335 Personen am Human Vaccine Institute der Duke University in North Carolina per Los in zwei Gruppen eingeteilt worden. Gruppe A bekam die beiden Impfungen auf einmal, Gruppe B bekam sie im Abstand von ein bis zwei Wochen. Dabei kamen gegen Covid-19 die mRNA-Impfstoffe von Biontech und Moderna zum Einsatz.
Allerdings erhielt auch Gruppe B bei ihrem ersten Impftermin zwei Spritzen, nur war eine davon mit einem Placebo-Impfstoff gefüllt. Die Testpersonen aus Gruppe B sollten also ebenso wie die Personen aus Gruppe A damit rechnen, dass sie eventuell verstärkte Nebenwirkungen zu spüren bekämen. Beim zweiten Termin erhielten dann die Teilnehmer aus Gruppe A nur eine mit Placeboflüssigkeit gefüllte Spritze – sie hatten schließlich bereits zwei Impfungen intus.
Trotz der doppelten Herausforderung für ihr Immunsystem litten die Mitglieder von Gruppe A in den kommenden sieben Tagen nicht häufiger oder stärker unter akuten Nebenwirkungen als Gruppe B. In beiden Gruppen klagte etwa jeder Vierte über Symptome wie Fieber, Schüttelfrost, Muskel- oder Gelenkschmerzen. Die Symptome waren unter den mit Abstand Geimpften sogar um einige Prozentpunkte häufiger, aber das war nicht statistisch signifikant. Nach dem zweiten Impftermin klagten naturgemäß vermehrt diejenigen über Schwellungen, Rötungen und anderen Begleiterscheinungen, die hier auch wirklich einen aktiven Impfstoff erhalten hatten. Auch dieser Unterschied war aber statistisch nicht signifikant, es waren mit nicht einmal fünf Prozent nur insgesamt deutlich weniger als nach der bekanntermaßen etwas mehr zu Impfreaktionen neigenden Corona-Impfung.