Süddeutsche Zeitung

Hyposensibilisierung bei Heuschnupfen:In 70 bis 80 Prozent der Fälle erfolgreich

Patienten brauchen Disziplin und Geduld: Wer jahrelang Spritzen aushält oder Medikamente einnimmt, kann seine Pollenallergie möglicherweise unter Kontrolle bringen. Für wen sich die aufwendige Hyposensibiliserierung am besten eignet.

Von Katrin Neubauer

Kurzfristig können Pollenallergiker sich mit Cortison-Nasensprays und Antihistaminika Erleichterung verschaffen. Wer auf lange Sicht die Symptome zurückdrängen will, kann eine Langzeitbehandlung erwägen. Sie soll das aus dem Tritt geratene Immunsystem dauerhaft umprogrammieren oder weniger empfindlich machen. "Besonders bei mäßigen bis starken Beschwerden, die die tägliche Arbeit beeinträchtigen oder Schlafprobleme verursachen, kann die so genannte spezifische Immuntherapie sinnvoll sein", sagt Axel Trautmann, Leiter des Allergiezentrums Mainfranken am Universitätsklinikikum Würzburg.

Generell gilt: Je früher eine allergenspezifische Immuntherapie, auch Hyposensibilisierung genannt, eingeleitet wird, desto besser sind die Heilungschancen. Bei Kindern und Jugendlichen sind sie besonders gut, da deren Immunsystem noch leichter beeinflussbar ist. Zugleich kann mit der Behandlung eine Ausweitung der Allergie auf andere Pollen sowie Hausstaubmilben oder Tierhaare verhindert werden.

Die Therapie verlangt allerdings Disziplin und einen langen Atem. Über drei bis fünf Jahre lang wird Patienten alle vier bis sechs Wochen jenes Allergen gespritzt, auf das das Immunsystem überreagiert. Auf diese Weise soll es gleichsam lernen, gegen die harmlosen Pollen eine Toleranz zu entwickeln. Dahinter stehen komplizierte immunologische Prozesse, die noch nicht bis ins Detail geklärt sind. Wissenschaftler gehen davon aus, dass die in hohen Dosen gespritzten Allergene die so genannten regulatorischen T-Zellen in den Lymphknoten aktivieren. Die T-Zellen halten die Immunzellen in Schach und korrigieren so die Fehlreaktion des Immunsystems.

Die Therapie sollte mindestens drei Monate vor der Pollenflugsaison, also am besten im Winter, beginnen. In der etwa drei Monate dauernden Einleitungsphase wird die Dosis allmählich erhöht. Für die meisten Patienten ist die Therapie gut verträglich. "In einigen Fällen kann es in den ersten Monaten zu allergischen Reaktion an der Einstichstelle kommen, wie Rötungen oder Nesselsucht", sagt Trautmann. Selten schwillt auch der ganze Arm an.

Nach einigen Monaten spürten Patienten häufig schon eine Besserung der Symptome. "Unter idealen Voraussetzungen ist die Therapie in bis zu 70 bis 80 Prozent der Fälle erfolgreich", sagt Trautmann. Das heißt, viele benötigen danach keine Nasensprays oder Tabletten mehr. Bei den anderen Patienten schlägt eine Hyposensibilisierung dagegen nicht an.

"Die Erfolgsrate ist am höchsten, wenn man nur gegen ein Allergen hyposensibilisieren muss", sagt Martin Metz, Allergologe am Allergie-Centrum-Charité in Berlin. Allerdings kann der Heuschnupfen trotz Hyposensibilisierung wieder zurückkommen. "Durch die Therapie wird das Immunsystem zwar auf ein niedrigeres Niveau gebracht, aber nach fünf bis zehn Jahren kann es wieder hochfahren", erläutert Metz. Dann sei es sinnvoll, die Hyposensibilisierung zu wiederholen.

Seit einiger Zeit kann die Behandlung auch durch Tabletten und Tropfen erfolgen. Am besten funktionieren die Medikamente bei Gräserpollenallergikern. "Die erste Tablette wird unter ärztlicher Aufsicht genommen, um zu sehen, wie der Patient sie verträgt", sagt Trautmann. Nebenwirkungen können unter anderem Kribbeln und Schwellungen an den Lippen und im Mund sein. Für Birkenpollenallergiker gibt es eine Tropfenvariante. "Deren Wirksamkeit ist aber noch nicht so gut belegt, wie die der Gräsertablette", so Trautmann.

Allerdings hat die Tablettentherapie auch Nachteile. "Patienten müssen die Medikamente zuverlässig jeden Tag einnehmen", sagt Metz. Wer sie häufiger vergisst, gefährdet den Erfolg der langwierigen Behandlung.

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