HPV-Impfung:Ungereimtheiten und Widersprüche

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Die Empfehlung, alle Mädchen gegen Papillomviren zu impfen, fußt offenbar auf schlampiger Expertise.

Christina Berndt

Wie gut kennt sich die Ständige Impfkommission (Stiko) eigentlich mit Impfungen aus? Nicht gut genug, beklagt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA). Darauf deute ein mangelhaftes Schreiben der Stiko hin, deren Aufgabe es ist, den Deutschen zu sagen, gegen welche Krankheiten sie sich impfen lassen sollen.

Impfstoff gegen Papillomviren (Foto: Foto: AP)

Als höchstes Gremium der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen hatte der G-BA die Stiko im Dezember aufgefordert, ihr Votum für die Impfung gegen Papillomviren (HPV) noch einmal zu überdenken; damals war Kritik an der schnellen Entscheidung der Stiko laut geworden, allen Mädchen zwischen zwölf und 17 Jahren die Impfung zu empfehlen, die gegen manche HPV-Typen schützt und so die Zahl der Fälle von Gebärmutterhalskrebs senken soll.

Die Antwort der Impfkommission enthalte jedoch zahlreiche Ungereimtheiten, klagte der G-BA. Quellen seien nicht nachprüfbar, auch würden zweifelhafte Schlussfolgerungen gezogen, sagte Ulrike Faber, Pharmazeutin und Patientenvertreterin im G-BA. Auch ziehe die Stiko nur jene Fakten heran, die ihr in den Kram passten.

Um die Häufigkeit der HPV-Typen, gegen die die Impfung hilft, zu illustrieren, zitiert die Impfkommission zum Beispiel nur eine Studie aus Island, "obwohl es zahlreiche andere Quellen gibt". Dabei sei die Bevölkerung der Insel nicht gerade repräsentativ für andere Bevölkerungsgruppen in Europa. Für die Bewertung des zweiten HPV-Impfstoffs werden gar Daten aus Kurzfassungen von Studien übernommen, offenbar ohne Einblick in die ganzen Studien genommen zu haben. "Auf diese Weise kann man Daten aber nicht kritisch bewerten", sagt Faber. Widersprüche in ihrer Argumentation scheine die Stiko dabei nicht zu bemerken. So würde, folgte man der Stiko, "die Impfung fast doppelt so viele Fälle von Krebsvorstufen verhindern wie möglicherweise überhaupt vorkommen".

Die Impfkommission wollte sich am Donnerstag nicht zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen äußern. "Einen solchen Streit tragen wir nicht über die Presse aus", sagt ein Sprecher. Ende Juli werde es ohnehin noch eine neue Stellungnahme zur HPV-Impfung geben.

Der Stiko-Vorsitzende Friedrich Hofmann hatte allerdings gleich nach Lautwerden der Kritik an der Empfehlung verkündet, dass die erneute Bewertung nicht anders ausfallen werde. "Eine solche Vorabfestlegung weckt bei uns Zweifel an einer konstruktiven Zusammenarbeit", so Faber, die auch darauf hinwies, dass die Stiko-Mitglieder "mehrheitlich Interessenkonflikte haben".

Kritik an der Unabhängigkeit und der Arbeitsweise der im Jahr 1972 gegründeten Stiko schwelt bereits seit längerem. "Die haben nicht gemerkt, dass sich die Zeiten geändert haben", sagt Wolfgang Becker-Brüser von der industrieunabhängigen Zeitschrift Arznei-Telegramm. "Heute kann man nicht mehr einfach nach dem Motto 'Impfen ist gut' Impfungen empfehlen. Die Entscheidung muss wissenschaftlich valide und überprüfbar sein."

© SZ vom 19.06.2009/beu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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