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Medizin:Hormontherapie erhöht das Brustkrebsrisiko

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Eine Hormontherapie zur Linderung von Wechseljahresbeschwerden erhöht das Brustkrebsrisiko von Frauen - und zwar auch noch Jahre nach Beendigung der Therapie. Dies berichtet ein internationales Forscherteam nach der Auswertung von insgesamt 58 Studien in der Fachzeitschrift The Lancet. Die Wissenschaftler zeigten, dass nahezu jede Form der Hormontherapie das Erkrankungsrisiko für Brustkrebs langfristig erhöht.

Die Wechseljahre beginnen bei den meisten Frauen etwa ab dem 45. Lebensjahr. Wenn die Eierstöcke nach und nach ihre Funktion einstellen, fällt der Östrogenspiegel im Körper ab, das Progesteron verschwindet nahezu. Diese Umstellung kann bei einigen Frauen mit Beschwerden wie Hitzewallungen, Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen einhergehen. Eine Hormontherapie mildert diese Beschwerden ab. In Europa und Nordamerika nehmen etwa zwölf Millionen Frauen Hormonpräparate ein, die Östrogen und teilweise zusätzlich Gestagen enthalten. Eine Therapie kann mehrere Jahre dauern.

Das Forscherteam hatte Daten von knapp 500 000 Frauen ausgewertet, bei denen die Menopause eingesetzt hatte. Einige der Frauen hatten über verschiedene Zeiträume hinweg eine Hormontherapie gemacht, andere hatten nie Hormone genommen. Die Analyse zeigte, dass nahezu jede Hormonbehandlungsform das Brustkrebsrisiko erhöhte, allerdings in unterschiedlichem Ausmaß.

Ohne Hormontherapie entwickelten demnach 63 von 1000 Frauen im Alter von 50 bis 69 Jahren Brustkrebs. Bei einer fünfjährigen Behandlung mit Östrogen und täglicher Gestagengabe ergab sich ein zusätzlicher Brustkrebsfall pro fünfzig Frauen. Wurde das Gestagen nicht täglich genommen, sondern nur phasenweise, war das Risiko etwas geringer: ein zusätzlicher Fall pro siebzig Frauen. Wurde nur Östrogen genommen, gab es auf zweihundert Frauen einen zusätzlichen Fall von Brustkrebs. Das erhöhte Risiko bestand teils noch über ein Jahrzehnt nach dem Absetzen der Medikamente.

Die Dauer der Therapie scheint eine wichtige Rolle zu spielen

Das Erkrankungsrisiko sei auch abhängig von der Dauer der Medikamenteneinnahme, berichten die Forscher. "Eine Behandlungsdauer von zehn Jahren mit Hormonen verdoppelt das erhöhte Brustkrebsrisiko im Vergleich zu einer fünfjährigen Behandlung", sagt Gillian Reeves von der University of Oxford, die an der Studie beteiligt war. "Aber es scheint wenig risikoreich zu sein, die Hormontherapie kürzer als ein Jahr lang zu machen. Das gleiche gilt für die lokale, vaginale Östrogenanwendung in Form von Salben oder Zäpfchen."

In einem Kommentar zur Studie, der ebenfalls in The Lancet veröffentlicht wurde, erklärt die Expertin Joanne Kotsopoulos vom Women's College Hospital in Toronto, wie das erhöhte Risiko begründet sein könnte: "In Studien sehen wir, dass der Anstieg des Brustkrebsrisikos, das mit dem Alter einhergeht, nach der Menopause etwas milder verläuft. Einfach gesagt, könnte die Hormontherapie die Frauen in einem vormenopausalen Stadium halten, und damit profitieren sie nicht von dem reduzierten Brustkrebsrisiko nach der Menopause."

Patientinnen sollten über die neuen Erkenntnisse informiert werden, sagt Olaf Ortmann von der Universitätsfrauenklinik in Regensburg. "Bisher ist man davon ausgegangen, dass das Risiko für eine Brustkrebserkrankung wenige Jahre nach dem Ende der Hormonbehandlung wieder auf ein normales Maß zurückgeht." Die Behandlung sollte demnach kein Selbstläufer sein, so Ortmann, der mitverantwortlich ist für die Leitlinie zur Hormontherapie in den Wechseljahren der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe.

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Quelle:
SZ vom 02.09.2019 / dpa
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