Süddeutsche Zeitung

Homöopathie-Kritik:"Es ist Pseudomedizin"

Eine Initiative sagt der Homöopathie den Kampf an. Initiator Norbert Aust erklärt die Ziele und weshalb die Heilslehre ihren Sonderstatus im Arzneimittelrecht verlieren soll.

Interview von Hanno Charisius

Anfang Februar trafen sich in Freiburg 30 Fachleute, um das "Netzwerk Homöopathie" zu gründen, einen Verbund, der über Homöopathie aufklären möchte. Zu der Gruppe gehören auch die ehemalige Homöopathin Natalie Grams, der Vorsitzende des Wissenschaftsrats der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften GWUP Wolfgang Hell, Edmund Berndt von der Initiative für wissenschaftliche Medizin und der Verbraucherschützer Guido Bockamp vom Deutschen Konsumentenbund. Die Aktivisten wollen unter anderem dafür sorgen, dass homöopathische Mittel ihren Sonderstatus im Gesundheitswesen verlieren. Norbert Aust, der sich seit Jahren kritisch mit der "Pseudomedizin", wie er es nennt, auseinandersetzt, lud zu dem Treffen ein.

SZ: Herr Aust, es gibt schon reichlich Homöopathie-Kritik in Büchern, Weblogs, Fernsehen. Was wollen Sie und Ihre Mitstreiter noch hinzufügen?

Norbert Aust: Wir glauben, dass die meisten Leute trotzdem nicht wissen, was Homöopathie überhaupt ist. Deshalb wollen wir auf einer neuen Webseite vor allem über die Heilslehre mit ihren merkwürdigen Auffassungen aufklären und klarstellen, dass es sich dabei um Pseudomedizin handelt und eben nicht um eine "Alternative zur Medizin", wie sie ja oft genannt wird.

Nüchterne Fakten haben die Anhänger der Homöopathie noch nie überzeugt.

Wir wollen auch Fälle sammeln, bei denen homöopathische Behandlungen nachweislich geschadet haben. Wie etwa bei einem Krebspatienten in Bayern, der Schmerzmittel absetzte, weil sein Heilpraktiker erklärt hatte, dass die Homöopathika sonst nicht wirkten. Der Mann ist qualvoll gestorben. Die Befürworter argumentieren ja immer mit Anekdoten von vermeintlichen Erfolgsgeschichten. Da wollen wir ein Gegengewicht schaffen.

Gibt es auch politische Forderungen?

Zu unseren Fernzielen zählt, die Sonderstellung der Homöopathie im Arzneimittelrecht aufzulösen, die Abschaffung der Apothekenpflicht für homöopathische Arzneimittel - und dass es keine akademischen Weihen mehr gibt für Pseudomedizin, etwa durch universitäre Lehre und ärztliche Weiterbildungen. Die Homöopathie muss ja derzeit als sogenannte "besondere Therapieeinrichtung" die Wirksamkeit ihrer Präparate nicht nachweisen.

Haben Sie einen Zeitplan?

In unserer Idealvorstellung geht die Webseite in ein bis zwei Monaten online. Wir haben auch nur privates Geld, deshalb starten wir mit Projekten, die wenig kosten.

Es gibt keine Sponsoren?

Nein, anders als uns von unseren Gegnern unterstellt wird, bekommen wir kein Geld von der Pharmaindustrie. Einige von uns haben Bücher zu dem Thema geschrieben, aber das ist auch schon der einzige Interessenkonflikt, den man bei uns finden kann.

Was kann die Website, was Bücher bisher nicht schafften?

Wir haben mit unseren bisherigen Initiativen vor allem jene erreicht, die eigentlich keine weiteren Informationen brauchen. Diejenigen, die der gleichen Ansicht sind wie wir - oder unsere überzeugten Gegner. Aber nicht die Patienten, die vor der Entscheidung stehen. Vor allem die wollen wir ansprechen. So wie es ja auch die Befürworter machen.

Wie erreichen Sie Ihre Zielgruppe?

Das ist sicher nicht einfach. Jetzt berichten viele Medien über unsere Initiative, das ist prima. Wie wir von Patienten gefunden werden und Vertrauen gewinnen, das müssen wir noch erarbeiten.

Sie kämpfen auch dafür, dass die homöopathischen Mittel mit deutschen Namen bezeichnet werden, warum?

Uns stört sehr, dass Homöopathie gleichberechtigt zur Medizin dargestellt wird, dazu tragen auch die akademisch klingenden Bezeichnungen bei. Letztendlich gehören diese Produkte in die Süßwarenabteilung, gleich neben Ursus elasticus. Das Gummibärchen klingt mit lateinischem Namen auch viel beeindruckender.

Sie klingen wie ein Atheist, der Gläubigen erklären will, dass es keinen Gott gibt - ziemlich hoffnungslos.

Ich glaube nicht an einen schnellen Erfolg, denke aber, dass sich in Deutschland langfristig etwas ändern kann. Wahrscheinlich passiert das eher in vielen kleinen Schritten als in einem großen Umschwung. Aber wir wollen einmal anfangen.

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Quelle:
SZ vom 15.02.2016/chrb
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