Homöopathie:Kerosin im Kügelchen

Viele Menschen halten die Homöopathie für ein besonders sanftes Heilverfahren, das angeblich die Heilkräfte der Natur nutzt. Aufgrund der sogenannten Potenzierung der Ausgangsstoffe sind Nebenwirkungen unwahrscheinlich. Doch wenn diese Verdünnung zu schwach ist, kann es gefährlich werden.

Von Sebastian Herrmann

Homöopathie: Globuli enthalten eigentlich nur Zucker. Die Ursubstanz der homöopathischen Arznei wird verdünnt, bis kaum noch etwas davon in den Mitteln enthalten ist. Und das ist bei vielen der Stoffe auch gut so. Ist die Verdünnung zu schwach, kann es für Patienten gefährlich werden.

Globuli enthalten eigentlich nur Zucker. Die Ursubstanz der homöopathischen Arznei wird verdünnt, bis kaum noch etwas davon in den Mitteln enthalten ist. Und das ist bei vielen der Stoffe auch gut so. Ist die Verdünnung zu schwach, kann es für Patienten gefährlich werden.

(Foto: lok)

Der Patient verbrachte eine Woche im Krankenhaus. Er litt an hohem Fieber, seine Atemfrequenz war erhöht, die Koordination gestört und der Blutdruck im Keller. Höchstwahrscheinlich hatte eine Vergiftung mit Kerosin diese Symptome hervorgerufen - die sich der Patient wohl durch ein homöopathisches Mittel zugezogen hatte.

Ärzte um den spanischen Neurologen Jaime Samuel Rodríguez-Vico berichteten vor drei Jahren von diesem Fall heftiger Nebenwirkungen durch homöopathische Arzneien. Die Vergiftungserscheinungen traten auf, weil die Ausgangssubstanz des Mittels nicht sonderlich stark potenziert worden war - so wird die Verdünnung von Stoffen in der homöopathischen Lehre genannt. In diesem Fall diente Kerosin als Basis und war dann in der fertigen Arznei noch in nennenswerter Menge enthalten.

Der Fall aus Spanien ist wahrscheinlich eine der eher seltsamen Geschichten, die Wissenschaftler um Paul Posadzki von der Abteilung für Komplementärmedizin der Peninsula Medical School in Exeter, Großbritannien, gesammelt haben (The International Journal of Clinical Practise, Bd. 66, S. 1178, 2012). Die Forschergruppe, zu der auch der Homöopathiekritiker Edzard Ernst gehört, wertete wissenschaftliche Datenbanken auf der Suche nach Fallgeschichten über negative Auswirkungen homöopathischer Behandlungen aus. Dabei sammelten sie Daten von 1159 Patienten, die zwischen 1978 und 2010 in 17 Ländern (darunter auch Deutschland) schlechte Erfahrungen mit dieser Therapierichtung gemacht hatten.

Die Mehrzahl der teils starken Nebenwirkungen waren allergische Reaktionen und Vergiftungen - die in der Regel bei lediglich geringfügig verdünnten Ausgangsstoffen auftraten. Dazu zählen in der Homöopathie auch giftige Schwermetalle wie Arsen, Kadmium oder Quecksilber sowie andere toxische Substanzen wie eben Kerosin.

Nur wenige der in wissenschaftlichen Fachjournalen veröffentlichten Fallberichte beziehen sich hingegen auf eine andere mögliche negative Nebenwirkung homöopathischer Mittel - nämlich, dass ernsthaft erkrankte Menschen sich auf die Zuckerkügelchen verlassen, statt Therapien in Anspruch zu nehmen, für deren Wirksamkeit es wissenschaftliche Belege gibt.

"Homöopathie hat das Potenzial, Patienten und Konsumenten direkt und indirekt zu schaden", resümieren die Forscher um Posadzki.

Die meisten Wissenschaftler halten die indirekte Gefährdung durch homöopathische Arzneien für relevanter. Schließlich enthalten die meisten Globuli durch die extreme Verdünnung der Ausgangssubstanzen nichts als Zucker: Gefährlich ist dann nicht das Mittel selbst, sondern der Verzicht auf ernsthafte Behandlung in schweren Krankheitsfällen.

Solche Fallgeschichten würden allerdings nur sehr selten gemeldet, so die Autoren. Die Forscher betonen, dass konventionelle Medikamente selbstverständlich viel häufiger Nebenwirkungen zeigen. Man müsse aber auf das Risiko-Nutzen-Verhältnis schauen - und das sehe bei einer unwirksamen Methode wie der Homöopathie schlecht aus.

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