Der Sommer ist da – und mit ihm ein enormes Gesundheitsrisiko. Schwindel, Erschöpfung oder Verwirrtheit sind nur einige der Auswirkungen von extremer Hitze, die für manche sogar zur tödlichen Gefahr wird: Allein 2023 gab es laut Robert-Koch-Institut in Deutschland etwa 3200 hitzebedingte Sterbefälle.
Angesichts dieser Zahlen sieht Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) schon länger dringenden Handlungsbedarf. Dazu legte er bereits im Juli 2023 den „Hitzeschutzplan für Gesundheit“ vor, ein Strategiepapier zu besserem Hitzeschutz.
Das Gesundheitsministerium selbst baute Informationsangebote zu Hitze aus, etwa mit einer Plakataktion. Der Deutsche Wetterdienst (DWD), eine Bundesoberbehörde, soll außerdem mit einem Hitzewarnsystem frühzeitig vor Belastungen warnen. Im Wesentlichen liegt die Umsetzung des Hitzeschutzplans aber in den Händen von Bund, Ländern, Kommunen und im Gesundheitswesen.
So zeichnet sich in den Kommunen ein heterogenes Bild ab. Die Stadt Köln beispielsweise hat bereits 2022 einen „Hitzeaktionsplan für Menschen im Alter“ veröffentlicht. Er beinhaltet eine Analyse der Hitzebelastung und einen Maßnahmenkatalog, um diese zu reduzieren. „Unsere Simulationen zeigen, dass bis 2050 etwa 43 Prozent der Kölner Bevölkerung von langen Hitzeperioden betroffen sein könnten“, sagt William Wolfgramm, Beigeordneter der Stadt Köln für Klima, Umwelt, Grün und Liegenschaften.
Anfang dieses Jahres hat Köln ein „Klimawandelanpassungsmanagement“ eingerichtet: 13 Trinkbrunnen wurden installiert, Förderprogramme zur Begrünung ausgeschrieben. Wichtig sind diese Initiativen, ausreichende Hitzeprävention erreichen sie aber nicht. Und längst nicht alle Kommunen oder Landkreise befassen sich überhaupt mit dem Thema. So wies das Recherchenetzwerk Correctiv kürzlich darauf hin, dass etliche Gemeinden noch überhaupt keine Hitzeschutzmaßnahme umgesetzt haben.
„In der Krankenhausalarmplanung zählt Extremhitze als Katastrophe.“
Umsetzungsprobleme sehen auch die Hausärztinnen und –ärzte. Der Hitzeschutzplan des BMG sieht vor, dass sie ihre Patienten für die Gefahren von Hitze sensibilisieren. Eine solche Beratung müsse aber auch entsprechend im Vergütungssystem der Hausärzte, im Studium sowie in Weiterbildungen festgehalten werden, fordert Nicola Buhlinger-Göpfarth, Bundesvorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes. „Wir spüren die direkten Auswirkungen des Klimawandels immer mehr und müssen unsere Arbeit dementsprechend anpassen“, sagt sie. Leider hinke die Politik mit Investitionen hinterher, „wodurch wir viele Beratungsleistungen nicht abrechnen, viele bauliche Sanierungen in Praxen zwecks Hitzeschutz nicht angehen können.“
Für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen sind die Herausforderungen ebenso immens. Um diese Einrichtungen hitzeresilienter zu machen, hat das BMG Empfehlungen entwickelt. Von der Erstellung einrichtungsbezogener Konzepte über die Planung von Kühlungszonen bis hin zur sachgerechten Lagerung von Medikamenten – an vieles muss das Klinikpersonal demnach denken.
In der Universitätsklinik Düsseldorf ist Rainer Kram als Leiter der Stabsstelle Katastrophenschutz für die Umsetzung der Empfehlungen zuständig. „In der Krankenhausalarmplanung zählt Extremhitze als Katastrophe“, sagt Kram. Wenn über mehrere Tage hohe Temperaturen herrschen, führe das zu Problemen, „weil es mehr Aufnahmen von vulnerablen Patienten gibt und das Personal gleichzeitig selbst eingeschränkt ist. An allen Stellen müssen wir Vorsorge treffen.“ Die Stabstelle hat einen auf das Universitätsklinikum angepassten Hitzeschutzplan entworfen. Während Hitzewarnungen des DWD müssen Ärzte und Pflegefachkräfte dann etwa Patienten und Angehörige über hitzeschutzgerechtes Verhalten informieren oder vulnerable Patienten in kühle Räume verlegen.
Doch dass sich ein Krankenhaus mit einer eigens geschaffenen Stelle der Hitzeproblematik widmet und einen Hitzeschutzplan erstellt, ist nicht überall der Fall. „Ein Drittel der Krankenhäuser hat Hitzeschutzpläne schon umgesetzt, ein Drittel widmet sich der Thematik intensiv, und das letzte Drittel steht in der Umsetzung noch ganz am Anfang“, sagt Henriette Neumeyer aus dem Vorstand der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Wichtig für den Erfolg von Hitzeschutz sei die zentrale Unterstützung durch das Management, sagt sie.
Jana Luntz, Präsidiumsmitglied des Deutschen Pflegerates und Pflegedirektorin des Universitätsklinikums Dresden, geht noch einen Schritt weiter. Sie fordert, dass Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen gesetzlich dazu verpflichtet werden, Hitzeschutzkonzepte auszubauen: „Was in den Krankenhäusern passiert, das ist Bevölkerungsschutz. Und den kann man nicht nur den Institutionen selbst überlassen, sondern dieser muss rechtlich in Verordnungen gegossen werden.“ Verbindliche Vorgaben enthält der Hitzeschutzplan jedoch nicht, sondern nur Empfehlungen.
Einig sind sich Neumeyer und Luntz darin, dass die Krankenhäuser mehr finanzielle Ressourcen für bauliche Veränderungen bräuchten. „Rund 75 Prozent der Krankenhausgebäude in Deutschland entsprechen nicht modernem Hitzeschutz“, sagt Henriette Neumeyer. Sie kritisiert, dass Krankenhäuser bei Hitzeschutzmaßnahmen in Vorleistung gehen und darauf hoffen müssten, dass diese Kosten im Nachhinein refinanziert werden. „Das ist kein Positivkreislauf“, sagt sie, „Hitzeschutz fällt zusammen mit Klimaschutz, und im Zuge der Krankenhausreform brauchen wir ein Investitionsprogramm für klimaresiliente Krankenhäuser.“
Notwendig sei ein Transformationsfonds für bauliche Investitionen ebenso wie für gestiegene Betriebskosten im Zuge des Klimaschutzes. Darunter könne man dann auch dem Thema Hitzeschutz besser begegnen. Die Kosten dafür wären allerdings immens. Allein für Nordrhein-Westfalen wird der Investitionsbedarf für klimaresiliente Krankenhäuser bis 2030 auf 7,1 Milliarden Euro geschätzt. Hochgerechnet auf die Bundesrepublik bedeutet dies einen mittleren zweistelligen Milliardenbetrag.