Medizin:Krebsforscher und Nobelpreisträger Harald zur Hausen ist tot

Medizin: Der Medizin-Nobelpreisträger Harald zur Hausen forschte bis zu seinem Tod am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg.

Der Medizin-Nobelpreisträger Harald zur Hausen forschte bis zu seinem Tod am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg.

(Foto: Uwe Anspach/dpa)

Harald zur Hausen ging davon aus, dass Papillomviren Krebs erzeugen können, und verfolgte die These hartnäckig. Das brachte der Welt einen Impfstoff und ihm selbst den Nobelpreis für Medizin. Nun ist der Krebsforscher gestorben.

Von Christina Berndt

Der Krebsforscher und Medizin-Nobelpreisträger Harald zur Hausen ist tot. Er starb am Sonntag im Alter von 87 Jahren, wie das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg mitteilte. "Mit ihm verlieren wir einen herausragenden Wissenschaftler, der auf dem Gebiet der Tumorvirologie bahnbrechende Leistungen erbracht hat", sagte Michael Baumann, Vorstandsvorsitzender und Wissenschaftlicher Vorstand des DKFZ.

Zur Hausen leitete die renommierte Forschungseinrichtung 20 Jahre lang. Der international bekannte Virologe galt als geistiger Vater eines breit angewandten Impfstoffs gegen Gebärmutterhalskrebs und andere Tumore, was ihm 2008 den Nobelpreis für Medizin einbrachte. "Ohne Übertreibung kann man sagen, dass Harald zur Hausen damit eine ganz neue Dimension der Krebsprävention eröffnet hat", so Baumann. Zur Hausen arbeitete bis zuletzt weiter, sein Interesse galt in den vergangenen Jahren der Erforschung eines möglichen Zusammenhanges zwischen Milch- und Rindfleischkonsum und der Entstehung von Brust- und Darmkrebs.

Zur Hausen wurde am 11. März 1936 in Gelsenkirchen geboren. Er studierte in Bonn, Hamburg und Düsseldorf Medizin. Anfang der 1980er-Jahre erbrachte er den Nachweis, dass bestimmte sexuell übertragbare Hautwarzen-Viren - sogenannte Humane Papillomviren (HPV) - Gebärmutterhalskrebs auslösen können. Damit schuf er die Voraussetzung für die Entwicklung eines Impfstoffes, der seit 2006 auf dem europäischen Markt zugelassen ist. Anfangs war die Skepsis unter Kollegen groß, wie zur Hausen einmal erzählte.

"Dass Papillomviren etwa mit Krebs zu tun hatten, war anfänglich fast schon als obskure Wissenschaft betrachtet worden", sagt Hans-Georg Kräusslich, der unter zur Hausen am DKFZ gearbeitet hat und heute Direktor der Virologie am Universitätsklinikum Heidelberg ist. "Die Forschung wurde nahezu lächerlich gemacht." Dennoch war zur Hausen wissenschaftlich "immer extrem erfolgreich", so Kräusslich, er habe stets hochrangig publiziert. "Er war auch einfach nicht der Typ, der sich durch Skepsis von außen hätte behindern lasen."

"Da hat er sich das Namensschild angeschaut und den Doktoranden ins Vorstandsbüro zitiert."

Der studierte Mediziner sei aber nicht nur eine "außergewöhnliche Wissenschaftler-Persönlichkeit" gewesen, so Kräusslich. "Er hat sein herausragendes wissenschaftliches Lebenswerk mit einer enormen Fähigkeit verbunden, Wissenschaftsstrukturen und wissenschaftliche Entwicklungen vorzudenken und zu verändern." In der Zeit zur Hausens sei das DKFZ zu einem der weltweit führenden Forschungszentren auf dem Gebiet der Krebsmedizin entwickelt worden, sagt auch Peter Krammer, der bis zu seiner Emeritierung Direktor des Instituts für Immunologie und Genetik am DKFZ war.

So hat zur Hausen früh externe Begutachtungen eingeführt, um das Renommee des DKFZ international zu verbessern. Zu Beginn seiner Führungstätigkeit war das Institut als Arbeitsstätte für "Mäuse-Doktoren" verschrien, die mit ihrer Forschung doch nur Mäusen und nicht Menschen helfen könnten. Dabei habe zur Hausen jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern stets frühzeitig Autonomie ermöglicht und sie eigene wissenschaftliche Ziele verfolgen lassen, sagt Hans-Georg Kräusslich - eine für die damalige Zeit ausgesprochen fortschrittliche Haltung. Damals mussten junge Kräfte am Beginn ihrer Karriere vornehmlich älteren zuarbeiten.

Zugleich hat Harald zur Hausen aber auch schon vor der Zuerkennung des Nobelpreises eine große Autorität gehabt. Wenn die Mitarbeiter des DKFZ wussten, dass "Zett-Ha" im Haus unterwegs ist, haben gleich alle einen sauberen Kittel angezogen und ihn, wie es sich gehört, bis oben zugeknöpft, erinnert sich Kräusslich. Einmal fand zur Hausen in einem der Gänge einen dreckigen Kittel an einer Garderobe. "Da hat er sich das Namensschild angeschaut und den Doktoranden ins Vorstandsbüro zitiert", so Kräusslich. Auch solche Anekdoten hätten dazu beigetragen, dass es im DKFZ eine "geradezu hymnische Verehrung" für zur Hausen gab.

Zur Hausens Unbeugsamkeit - andere nannten es westfälische Sturheit - wird auch in der Laudatio deutlich, die 2009 der damalige Bundespräsident Horst Köhler bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an den Forscher hielt: "Beharrlich sind Sie Ihren Weg gegangen, haben sich unabhängig gemacht von wissenschaftlichen Dogmen und von außerwissenschaftlichen Interessen." Jungen Wissenschaftlern gab zur Hausen folgenden Rat mit auf den Weg: "Im Grunde muss man davon ausgehen, dass sich die meisten Hypothesen, die man aufstellt und an denen man lange feilt und arbeitet, als falsch erweisen. Man muss sie dann korrigieren - und weiterarbeiten." Eine gewisse Frustrationsbereitschaft müsse man schon mitbringen, in der Wissenschaft vielleicht noch mehr als in anderen Gebieten.

1983 wurde zur Hausen zum Leiter des DKFZ berufen. Sein vorrangiges Interesse galt stets der Rolle von Virusinfektionen bei der Krebsentstehung. Bis ins hohe Alter kam er noch in sein Labor im DKFZ und forschte an Erregern, die mit der Entstehung von Brust- und Darmkrebs in Verbindung stehen könnten. Im Verlauf seines Forscherlebens wurde zur Hausen mit einer beeindruckenden Vielzahl akademischer Auszeichnungen geehrt.

Er war Träger von fast 40 Ehrendoktorwürden und zahlreicher Ehrenprofessuren. Die Krönung seiner wissenschaftlichen Laufbahn erfuhr er 2008 mit der Verleihung des Nobelpreises für Medizin. 2009 erhielt zur Hausen das große Bundesverdienstkreuz mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik. Im Jahr 2017 ernannte ihn die Stadt Heidelberg zum Ehrenbürger.

Mit Material von dpa.

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