Impfung:"Das Beste, was wir gegen die Grippe haben"

Gegen die Influenza: So funktioniert die Grippeschutzimpfung

Ist vor allem für Ältere, Kranke und Schwangere wichtig: die Grippeimpfung.

(Foto: Franziska Gabbert/dpa-tmn)

Ist es wirklich sinnvoll, sich gegen die Grippe impfen zu lassen? Und wann ist der richtige Zeitpunkt dafür? Thomas Mertens, Vorsitzender der Ständigen Impfkommission, gibt Antworten.

Von Berit Uhlmann

SZ: Professor Mertens, sind Sie schon gegen die Grippe geimpft?

Mertens: Ich impfe mich jedes Jahr eigenhändig, aber ich tue das eher Anfang Dezember.

Ist das nicht zu spät? Schließlich wird ja jährlich schon Anfang Oktober für die Spritze geworben.

Man kann, muss aber nicht im Oktober geimpft werden. Man kann auch jetzt die Impfung bekommen oder auch noch, wenn die Grippesaison beginnt, also im Dezember oder Januar. Wer noch nicht erkrankt ist, kann auch dann noch einen Schutz aufbauen. Man ist nicht an einen ganz bestimmten Zeitpunkt gebunden.

Gesunde, jüngere Erwachsene sind oft unschlüssig, ob sie sich impfen lassen sollen. Ihnen wird ja nicht explizit dazu geraten. Auch für Kinder gibt es keine ausdrückliche Empfehlung. Was raten Sie?

Es spricht nichts gegen die Impfung. Sie ist sicher und für alle Altersgruppen zugelassen. Besonders wichtig ist sie jedoch für Schwangere, Menschen ab 60 Jahren und Menschen mit Grunderkrankungen wie chronische Atemwegsleiden, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes. Bei ihnen kann es zu sehr schweren Verläufen und Todesfällen kommen. Bei gesunden Kindern und jüngeren Erwachsenen sind solche Verläufe selten.

In England beispielsweise hat man die Impfempfehlung auf Kinder ausgedehnt.

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Dabei geht es vor allem um die Hoffnung, dass die Kinder die ungeimpften Älteren mitschützen - nach dem Motto: Wenn der Enkel geimpft ist, wird auch der Opa nicht krank. Wir warten gespannt auf die Daten, ob das wirklich funktioniert. Bislang wissen wir zu wenig über den Nutzen einer flächendeckenden Impfung von Kindern.

In den vergangenen Jahren waren die Impfstoffe nicht sehr effektiv. Gegen die H1N1-Viren schützten sie in der vergangenen Saison zu 60 Prozent, gegen die ebenfalls zirkulierenden H3N2-Viren praktisch gar nicht. Woran liegt das?

Genau wissen wir das nicht. Ein möglicher Grund ist, dass das ursprünglich für die Impfstoffherstellung ausgewählte Virus sich verändern kann, wenn es - wie üblich - in Hühnereiern vermehrt wird. Man kann sich vorstellen, dass das Ausgangsvirus besser zu den zirkulierenden Viren gepasst hat, als das, was am Ende als Impfstoff verpackt wurde. Es gibt außerdem die Hypothese, dass die Wirksamkeit sich im Laufe der Saison abschwächt. Aber sicher ist auch das nicht.

Für viele klingen solche Daten nicht überzeugend.

Wir wissen, dass der Grippe-Impfstoff nicht ideal ist, im Gegensatz zu anderen Impfstoffen. Doch er ist das Beste, was wir gegen die Grippe in der Hand haben. Die Influenza ist die Infektionskrankheit, die in Deutschland die meisten Todesopfer fordert. In der vorletzten Saison sind den Schätzungen des Robert-Koch-Instituts nach 25 000 Menschen gestorben. Angesichts dieser Zahlen hat auch eine 50-prozentige Wirksamkeit noch einen großen Effekt. Das wird oft unterschätzt.

Thomas Mertens

Thomas Mertens ist Vorsitzender der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut.

(Foto: Robert Koch-Insitut)

Wagen Sie eine Prognose, ob der Impfstoff in dieser Saison besser passen wird?

Nein. Die Empfehlung für die Zusammensetzung der Impfstoffe wird ja bereits im Februar oder März herausgegeben. Man braucht den frühen Termin, um Zeit für die Produktion zu haben. Aber die Viren können sich in der Zwischenzeit noch verändern.

Und wie sieht es mit einer Prognose zur Verfügbarkeit des Impfstoffs aus? Im vergangenen Jahr gab es ja Engpässe.

In diesem Jahr werden mehr Impfstoffe zur Verfügung stehen. Bis Anfang Oktober wurden 17 Millionen Dosen Grippeimpfstoff vom zuständigen Paul-Ehrlich-Institut freigegeben. Das sind bereits jetzt 1,3 Millionen Dosen mehr als in der gesamten Grippesaison des Vorjahres. Aber Impfstoffknappheit ist nur ein Teil des Problems. Es gibt auch ein Verteilungsproblem. Nachdem die Impfstoffe freigegeben werden, gelangen sie in den Zwischenhandel. Das ist für uns eine Blackbox. Wir wissen dann nicht, wo die Impfstoffe sich genau befinden, ob sie zum Beispiel bei Großhändlern zwischengelagert sind. Das ist eine sehr intransparente Situation.

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