Bisphenol A, kurz BPA, tut, was rund tausend andere Chemikalien auch tun: Er wirkt ähnlich wie ein Sexualhormon - Wissenschaftler sprechen von einem Endokrinen Disruptor. Doch kaum ein anderer Störenfried im Hormonhaushalt hat es zu ähnlicher Bekanntheit gebracht, um keinen wird in Wissenschaft und Öffentlichkeit so ausdauernd gestritten.
BPA ist allgegenwärtig, von Autoteilen bis zu Zahnfüllungen, und mit einer weltweiten Jahresproduktion von 3,8 Millionen Tonnen eines der Schwergewichte im Chemie-Geschäft. Er steht allerdings im Verdacht, die Fortpflanzung zu stören und wird unter anderem mit Herzkrankheiten, Übergewicht und Krebs in Verbindung gebracht. Die Industrie erklärt, bei Konzentrationen, wie sie in der Umwelt und in Lebensmitteln vorkommen, seien keine solchen Effekte bewiesen.
Die Europäische Lebensmittelbehörde Efsa hat kürzlich mit einem überraschenden Vorschlag in den Streit eingegriffen: Die Obergrenze für BPA, die bei täglicher Aufnahme noch als ungefährlich gilt, soll von bisher 50 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht auf fünf Mikrogramm gesenkt werden. Damit dieser Vorschlag umgesetzt wird, muss die EU-Kommission einen Beschluss fassen. Vorerst steht die Bewertung bis Mitte März im Internet zur Diskussion.
Bemerkenswert ist die Efsa-Stellungnahme, weil die tolerierbare Tagesdosis ("Tolerable Daily Intake", TDI) auf Anraten der gleichen Behörde 2007 von zehn auf 50 Mikrogramm hinaufgesetzt wurde. Die Substanz berge weniger Risiken als gedacht, hieß es damals, und seither hat die Efsa die erhöhte Obergrenze immer wieder gegen Kritiker und Umweltschützer verteidigt. Noch im November 2011, als französische Behörden strengere Schutzvorschriften erließen und ankündigten, BPA aus Lebensmittelverpackungen zu verbannen, erklärte die Efsa, es gebe keinen Anlass, den TDI-Wert zu ändern. Kurz darauf, im Februar 2012, kündigte sie doch eine Überprüfung an.
An wissenschaftlichen Studienergebnissen für und wider die Risiken von BPA gab es indes schon zuvor keinen Mangel, fast täglich erscheinen neue Publikationen. "Die erdrückende Mehrheit der Studien hat auch zuvor schon Gesundheitseffekte von Bisphenol A gezeigt, die von der Efsa jedoch bislang beharrlich ignoriert wurden", kommentiert Sarah Häuser, die beim BUND für Chemikalienpolitik zuständig ist.