Süddeutsche Zeitung

Gesundheitspolitik:Zugang zu Physiotherapie soll einfacher werden

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Ein heute verabschiedetes Gesetz könnte Patienten zu einer besseren Versorgung mit Angeboten der Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie verhelfen. Der Bundestag stimmte heute für die Reform der Heil- und Hilfsmittelversorgung, mit der auf den gestiegenen Bedarf für solche Angebote reagiert werden soll.

Unter Heilmittel fallen Krankengymnastik, Massagen, Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie (Logopädie) sowie die Ergotherapie. Diese befasst sich mit gesundheitlichen Auswirkungen vor allem im Arbeitsumfeld. Ärzte verordnen die Heilmittel und überweisen Patienten an zugelassene Therapeuten.

Durch das nun verabschiedete Heil- und Hilfsmittelgesetz (HHVG) sollen Therapeuten künftig mehr Autonomie bei der Behandlung bekommen. Die stärkere Zusammenarbeit aller Gesundheitsberufe sei "unumgänglich", heißt es zur Begründung. So ist geplant, dass einige Therapeuten künftig selbst über die Auswahl und die Dauer der Therapie entscheiden dürfen. Bislang gibt der behandelnde Arzt vor, wie viele Sitzungen ein Patient etwa beim Physiotherapeuten erhält. Die Heilmittelerbringer - hierzu zählen beispielsweise Physio- und Ergotherapeuten sowie Logopäden - kritisieren dieses Modell schon länger. Sie fordern, mittels sogenannter "Blankoverordnungen" eigenständig über den Umfang und die Art der Behandlung entscheiden zu dürfen. Hierbei stellt der Arzt weiter die Diagnose, der Heilmittelerbringer entscheidet aber selbst über die Anzahl der Sitzungen.

Krankenkassen befürchten Kostensteigerungen

Eine bundesweite Freigabe erfolgt vorerst jedoch nicht. Das Gesetz sieht vor, dass die Blankoverordnung zunächst in Modellprojekten erprobt wird. In jedem Bundesland soll es ein solches Pilotprojekt geben. Nach der Testphase will der Gesetzgeber entscheiden, ob die Blankoverordnungen Teil der Regelversorgung werden. Das Gesundheitsministerium geht im Gesetzentwurf zunächst von einer niedrigen zweistelligen Zahl von Modellversuchen im Bundesgebiet aus.

Bereits in den letzten Jahren gab es einzelne Pilotversuche. An einem Vorhaben des Berufsverbands selbstständiger Physiotherapeuten IFK und der Krankenkasse BIG nahmen 40 Praxen in Westfalen-Lippe und Berlin teil. Laut einem Zwischenbericht waren Patienten mit der eigenständigen Behandlung durch die Therapeuten weitgehend zufrieden. Die Patienten, bei denen der Physiotherapeut eigenständig entschieden hatte, berichteten über eine größere Schmerzreduktion und einer Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität im Vergleich zu einer Kontrollgruppe. Bei ihnen waren im Schnitt sogar weniger Behandlungen nötig als bei Patienten, für die der Arzt die Anzahl der Sitzungen vorab festgelegt hatte. Das zeige, so Physiotherapeuten, dass die Blankoverordnungen nicht zu einer Kostenexplosion führen würden. Dies ist die Befürchtung der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV). Sie beklagen, dass die Ausgaben im Heilmittelbereich in den vergangenen Jahren bereits stark angestiegen sind, und fordern, einzelne Angebote in der Physio-, Ergo- und Sprachtherapie stärker auf ihre Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit hin zu überprüfen.

Das Gesetz regelt auch den Umgang mit Hilfsmitteln neu, die ein gesundheitliches Defizit ausgleichen sollen - dazu zählen etwa Rollstühle bei Lähmungen, Prothesen oder Hörgeräte. Krankenkassen dürfen künftig nicht mehr nur auf den Preis von Hilfsmitteln schauen, sondern müssen auch deren Qualität berücksichtigen und ihren Versicherten eine Auswahl zwischen verschiedenen Hilfsmitteln ermöglichen, ohne dass sie drauf zahlen müssen. Dies muss regelmäßig kontrolliert werden.

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