Zum Thema Gendergerechtigkeit gibt es neuerdings jede Menge Wortkreationen. "Manel" zum Beispiel bezeichnet ein Diskussionspanel in dem ausschließlich Männer sitzen. Als "Manel" muss man sich auch viele globalen Gesundheitsorganisationen vorstellen, wie britische Wissenschaftler jetzt darlegen.
Ihr Bericht, der von der Initiative "Global Health 50/50" am Centre for Gender and Global Health des University College London initiiert wurde, zeigt, dass 70 Prozent der einflussreichen Gesundheitsorganisationen von Männern geführt werden. Und das, obwohl zwei Drittel der Angestellten in diesem Sektor Frauen sind. Nur 20 Prozent haben in ihren Leitungsgremien mindestens ebenso viele Frauen wie Männer sitzen.
Die Forscher um Sarah Hawkes und Kent Buse haben sich das Personaltableau und die Programme von 140 internationalen Organisationen angeschaut - von der Weltgesundheitsorganisation über gemeinnützige Hilfsorganisationen bis hin zu den philanthropischen Abteilungen privater Firmen. Dabei geht es nicht nur um Karrierenachteile für weibliche Mitarbeiter, sondern vor allem darum, dass Frauen genau dort unterrepräsentiert sind, wo über die strategische Ausrichtung der Programme und die Verteilung der Ressourcen entschieden wird. "Es ist nicht zu übersehen", schreiben Hawkes und Buse: "Männer bestimmen über die Gesundheit der Welt."
Programme für mehr Gleichberechtigung aufzulegen, ist wichtig, aber längst nicht ausreichend
Was sie jedoch ebenso kritisieren, ist ein grundsätzlicheres, "anhaltendes Versagen". Die Organisationen, so die Studienautoren, berücksichtigen in ihren Strategien kaum, dass das Geschlecht einen wesentlichen Einfluss auf die Gesundheit hat. So verlieren Männer weltweit mehr gesunde Lebensjahre durch Krankheiten und Verletzungen als Frauen. Die Ursachen sind zum Großteil auf Rauchen, Trinken und riskante Arbeitsbedingungen zurückzuführen. Bei der Gesundheit der Frauen dagegen hat es in den vergangenen Jahren starke Verschiebungen gegeben. Schwangeren und Müttern geht es immer besser, gleichzeitig leiden Frauen nun stärker an chronischen Krankheiten wie Diabetes und Herzproblemen. Doch für 60 Prozent der großen Organisationen spielen solche genderspezifischen Erwägungen keine Rolle. 65 Prozent differenzieren in ihren Tätigkeitsberichten nicht einmal nach dem Geschlecht der Hilfsbedürftigen. So können blinde Flecken entstehen, warnen die Forscher.
Zu den Organisationen, die am besten abschnitten, gehören die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, Unaids und Unicef. Insgesamt bescheinigte der Bericht den UN-Institutionen bessere Ergebnisse als dem Privatsektor. Doch wie viel noch zu tun ist, zeigen aktuelle Entwicklungen. Just als der Report erscheint, müssen sich eine Reihe von Hilfsorganisationen dem Verdacht sexueller Übergriffe aus ihren Reihen stellen. Darunter sind auch einige, die in der Auswertung verhältnismäßig gut abgeschnitten haben. Programme für mehr Gleichberechtigung aufzulegen, ist wichtig, aber längst nicht ausreichend, kommentieren die Autoren.