Gesundheitspolitik gilt als Straflager des Parlaments. Kaum jemand, der hier aktiv war, hat sich davon erholt. Zurück bleiben Gekränkte, Gescheiterte oder Menschen wie Horst Seehofer. Vielleicht ist der Verschleiß in der Gesundheitspolitik der Grund dafür, warum der Koalitionsvertrag zum Thema so hasenfüßig ausgefallen ist. Mangelverwaltung und Phrasen allenthalben. Gefühlte 97 Mal wird betont, dass die Patienten im Mittelpunkt stehen. Aufrichtig ist das nicht.
Niemand hat sich getraut zu sagen, dass es im Gesundheitswesen primär um Interessen der Klinikverbände, Krankenkassen, der Medizin- und Pharmaindustrie geht.
Eine Gesundheitspolitik, die sich an Bedürfnissen der Patienten orientiert, ist im Koalitionsvertrag nicht zu erkennen. Auch in Zukunft werden gesetzlich Versicherte länger auf Arzttermine warten und Privatversicherte öfter unnötig untersucht. Dass sich die einkommensstärksten zehn Prozent der Bevölkerung dem Solidarprinzip entziehen, scheint niemanden mehr zu stören - das Konzept der Bürgerversicherung ist nicht mal im Ansatz zu erkennen.
Patientenorientierung, das hätte auch bedeutet, künftig nur zu bezahlen, was nützt und hilft. Seit Jahren ist das Gegenteil der Fall. In Kliniken werden etliche Untersuchungen und Behandlungen angeboten, deren Vorteil nicht erwiesen ist. Ein Nutzen muss nicht belegt sein. Das Krankenhaus ist zum Warenhaus verkommen, mit ständig wechselndem Sortiment.
Die große Gesundheitskoalition will am System der Fallpauschalen festhalten. Gezahlt wird nach Diagnosen, nicht nach Notwendigkeit. Das ist groteske Gleichmacherei. Ein Patient will nach der Hüft-OP Marathon laufen, der andere nur die Treppe schaffen. Wie wenig das System den Bedürfnissen Einzelner entspricht, zeigt die Frage: Was haben zehn Diabetiker gemeinsam außer einem entgleisten Blutzucker?