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Gesundheit - Wuppertal:Frust und Existenzangst nicht nur bei Gastronomen

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Köln/Düsseldorf (dpa/lnw) - Vertreter aus der Gastronomie, der Unterhaltungsbranche und dem Fitnessbereich haben die von Bund und Ländern vereinbarten Betriebsschließungen als unverhältnismäßig, existenzbedrohend und nicht zielführend scharf kritisiert. Auch von Gewerkschaftsseite wird vor Betriebsaufgaben und Entlassungen gewarnt. Deshalb seien umfangreichere Hilfen des Staates nötig.

"Unsere schlimmsten Befürchtungen haben sich leider bestätigt. Bei den heutigen Beschlüssen zur Schließung von Restaurants kann von zielführend, verhältnismäßig oder nachvollziehbar absolut keine Rede sein", sagte am Mittwochabend Hauptgeschäftsführerin Andrea Belegante vom Bundesverband der Systemgastronomie, der Fastfood-Restaurants und andere Ketten vertritt. Die Branche werde "erneut in einen Lockdown geschickt, obwohl unsere Restaurants keine Infektionstreiber sind und unter strengsten, behördlich genehmigten Hygienekonzepten arbeiten."

"Der Frust, die Enttäuschung, die Verzweiflung und die Angst in der Branche sitzen tief", sagte Bernd Niemeier, Präsident des Hotel- und Gaststättenverband Dehoga NRW. Die Branche sei Teil der Lösung und nicht des Problems. "Der Mensch ist ein soziales Wesen. Es werden sich nicht alle einschließen", erläuterte Isa Fiedler, Sprecherin der Düsseldorfer Altstadtwirte. Mit den Hygienemaßnahmen und Belüftungen sei es in der Gastronomie sicherer als bei vielen Besuchen im heimischen Wohnzimmer. Schon die Sperrstunde habe dramatische Folgen: "Die Stadt ist tot", sagte Peter König, Chef der Düsseldorfer Hausbrauerei "Füchschen". Es sei die schlimmste Krise seit dem Krieg.

Die Gewerkschaft NGG warnt, viele der landesweit 28 000 Betriebe in der Gastronomie mit insgesamt über 330 000 Beschäftigten könnten einen "erneuten Lockdown" nicht verkraften. Niemand wolle, dass Gaststätten wie in Ischgl zum Corona-Hotspot werden. Aber die Politik müsse abwägen, wo Schließungen wirklich Sinn machten. Es dürfe keine Branche geopfert werden. Bisherige Hilfen reichten nicht aus.

"Wir sehen uns als Bauernopfer", sagte Cineplex-Geschäftsführer Kim Ludolf Koch am Mittwoch in Wuppertal. Es gebe bislang weltweit keinen belegbaren Ansteckungsfall in einem Kino. "Wir werden für etwas zur Mitverantwortung gezogen, für das wir nichts können", sagte der Chef der Cineplex-Gruppe, zu der rund 90 Kinos in fast 70 Städten gehören.

Das Kino biete mit seinen zahlreichen Schutzmaßnahmen "größtmögliche Sicherheit", sagte Marianne Menze, die Chefin von Deutschlands größtem Kino "Lichtburg" in Essen. Wenn sie wieder schließen müsse, werde der Umsatzverlust in diesem Jahr wohl 80 Prozent betragen.

Die Betreiber von Fitnessstudios protestierten mit einem offenen Brief an Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) gegen Schließungen. "Hierbei handelt es sich genau um das falsche Signal und eine unzumutbare Benachteiligung von Menschen, die ganz bewusst und gerade jetzt ihre Immunabwehr stärken wollen und sollen", schrieb Birgit Schwarze, Präsidentin des Arbeitgeberverbands deutscher Fitness- und Gesundheitsanlagen. Der Deutsche Industrieverband für Fitness und Gesundheit betonte, Fitnessstudios böten ein sicheres Trainingsumfeld.

Bund und Länder vereinbarten am Mittwoch unter anderem, dass Theater, Opern, Museen, Kinos und Fitnessstudios geschlossen werden. Auch Restaurants, Bars, Clubs, Diskotheken und Kneipen müssen zu bleiben. Diese neuen Maßnahmen gelten vom 2. November bis zum Monatsende.

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