Gesundheit:Virusvariante: Keine Beeinträchtigung der Impfung erwartet

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Warnung des britischen Gesundheitsdienstes NHS vor dem Coronavirus in London. Ersten Analysen britischer Wissenschaftler zufolge verfügt die neue Variante über ungewöhnlich viele genetische Veränderungen, vor allem im Spike-Protein. Foto: Dinendra Haria/SOPA Images via ZUMA Wire/dpa (Foto: dpa)

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Berlin (dpa) - Auf die Wirksamkeit der Impfung wird sich die derzeit in Großbritannien zirkulierende neue Virusvariante vermutlich zunächst nicht nachteilig auswirken.

"Ich sehe da derzeit keinen Grund für Alarm", sagt Richard Neher vom Biozentrum der Universität Basel. Auch Andreas Bergthaler von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (CeMM) in Wien, hält die derzeitige Entwicklung nicht für "wahnsinnig alarmierend". Dass Mutationen auftauchen, sei nicht ungewöhnlich, derzeit wisse man nicht, ob die beobachteten Veränderungen die Eigenschaften des Erregers überhaupt entscheidend beeinflussen.

Seit einigen Wochen breitet sich im Südosten Englands eine Coranavirus-Variante aus, die ersten Erkenntnissen zufolge ansteckender ist als bisherige Varianten. Dass sich diese schneller ausbreite, sei grundsätzlich plausibel, sagt Neher. Wenn sich das bestätige, seien deutlich schärfere Maßnahmen nötig, um die Ausbreitung einzudämmen. Denkbar sei aber auch, dass die derzeitige verstärkte Ausbreitung dieser Variante letztlich Zufall sei und etwa auf ein Superspreading-Event zurückgehe.

Auch der Berliner Virologe Christian Drosten hatte auf Twitter darauf hingewiesen, dass die Mutationen dem Virus nicht zwingend einen Vorteil gegenüber anderen Varianten verschafften. In Deutschland sei die neue Variante bisher nicht festgestellt worden.

Der britische Premierminister Boris Johnson hatte betont, es gebe keine Hinweise darauf, dass die Mutation schwerere Krankheitsverläufe oder eine höhere Sterblichkeitsrate auslöse oder dass Impfstoffe gegen die Mutation weniger effektiv seien.

Ersten Analysen britischer Wissenschaftler zufolge verfügt die neue Variante über ungewöhnlich viele genetische Veränderungen, vor allem im Spike-Protein. Dieses Protein sitzt auf der Oberfläche des Virus. Der Erreger benötigt es, um in die menschlichen Zellen einzudringen. "Was man derzeit nicht weiß ist, ob irgendeine dieser Mutationen zu Veränderungen des Virus führt", sagt Bergthaler. Veränderungen könnten die Übertragbarkeit des Virus betreffen oder den klinischen Verlauf der Erkrankung.

Theoretisch können Mutationen auch die Wirksamkeit des Impfstoffes beeinflussen - der zielt nämlich genau auf das Spike-Protein. Ändert sich dessen Aufbau, könnte das Immunsystem auch nach einer Impfung blind für den Erreger sein, so die Überlegung. Allerdings erzeuge der derzeit eingesetzte Impfstoff Immunreaktionen gegen das gesamte Spike-Protein, erläutert Neher. "Selbst wenn eine Mutation vorhanden ist, verhindert dies nicht die Erkennung durch das Immunsystem." Anders gesagt: Einzelne Mutationen reichen nicht aus, um der komplexen Immunabwehr zu entgehen.

Tatsächlich müssen auch Impfstoffe gegen andere Viruserkrankungen, etwa gegen Grippe, immer wieder an aktuell zirkulierende Virusvarianten angepasst werden. Bei den neuartigen mRNA-Impfstoffen, zu denen der in Großbritannien eingesetzte Coronavirus-Impfstoff gehört, geht das vergleichsweise einfach. Diese Impfstoffe enthalten keine vollständigen Viren, sondern nur eine genetische Information, eine Bauanleitung für ein Virus-Protein. Diese Bauanleitung lässt sich relativ schnell an einen neuartigen Erreger anpassen.

© dpa-infocom, dpa:201221-99-768878/3

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