Gesundheit - Twistetal:Ungewissheit für Wilke-Mitarbeiter: Firma bestand Test

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Korbach/Berlin (dpa/lhe) - Im Fall keimbelasteter Wurst bleibt die Zukunft der 200 Beschäftigten des geschlossenen Fleischherstellers Wilke ungewiss. "Aktuell ist es das Wichtigste, dass die Mitarbeiter an ihr Geld kommen", erklärte Andreas Kampmann, Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) am Donnerstag. So stünden noch viele Septemberlöhne aus. Wie und ob es für Wilke weitergehe, sei völlig unklar. Zuvor hatte die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtet.

In Wilke-Wurst waren wiederholt Listerien nachgewiesen worden. Die Keime können für Menschen mit geschwächtem Immunsystem lebensgefährlich sein. Zwei Todesfälle in Südhessen werden mit Waren der seit über einer Woche geschlossenen Wilke Waldecker Fleisch- und Wurstwaren GmbH in Twistetal-Berndorf in Verbindung gebracht. Die Staatsanwaltschaft Kassel ermittelt wegen des Verdachts fahrlässiger Tötung gegen den Geschäftsführer.

Laut Gewerkschaft ist die Geschäftsführung für Mitarbeiter nicht zu erreichen. Auf Presseanfragen reagiert Wilke nicht. Das Unternehmen hat vorläufige Insolvenz angemeldet, ein Insolvenzverwalter wurde eingesetzt. "Aktuell ist die Gefahr groß, dass die Mitarbeiter ihre Jobs verlieren, wenn sich nicht schnell etwas was verändert", sagte Kampmann. Er hofft, dass sich ein Investor findet, der eine Verwendung für den Betrieb hat - wenn auch nicht unter ursprünglichem Namen. "Selbst mit ganz viel Wohlwollen fällt es mir schwer sich vorzustellen, wie man den Markennamen Wilke künftig noch platzieren will."

Unterdessen wehrt sich die Firma gegen die Schließung: Wilke habe am Donnerstag beim Verwaltungsgericht Kassel einen Eilantrag eingereicht, sagte ein Gerichtssprecher. Dieser richte sich gegen die Anordnung des Landkreises Waldeck-Frankenberg, der die Produktion gestoppt hatte. Ziel sei, den Betrieb fortführen zu können.

Dabei ist das nordhessische Unternehmen offenbar noch im Juli auf legalem Weg an ein IFS-Prüfzertifikat des Lebensmittelhandels gekommen. Wilke habe der Prüfungsgesellschaft DQS die nötigen Unterlagen wie Laboranalysen, Inspektionsberichte und Besuchsprotokolle der Lebensmittelaufsicht vorgelegt, sagte Stephan Tromp, Geschäftsführer der Dachorganisation IFS-Management: "Insofern gehen wir nach derzeitigem Sachstand nicht davon aus, dass DQS von Wilke getäuscht wurde."

Allerdings nutzte das Unternehmen laut Tromp eine legale Möglichkeit, sich auf den Besuch der Prüfer vorzubereiten. Es wählte eine Prüfvariante, bei der sich die Kontrolleure anmelden. Auch das hält Tromp für wirkungsvoll: Der Prüfer bewege sich frei im Betrieb. Begutachtet würden Management, Produktionsprozesse, Mitarbeiter-, Anlagen- und allgemeine Hygiene, Zustand der Gebäude, Umgang mit Behörden-Beanstandungen und mehr. Dabei habe Wilke belegt, dass ein Listerien-Ausbruch vom April 2019 erfolgreich bekämpft war. Tromp vermutet, dass es bei Wilke zwei Ausbrüche der Keime gab - vor und nach der Prüfung.

Die IFS-Zertifizierung ist eine Eigenkontrolle der Lebensmittelwirtschaft. Ihr Ziel ist die Prüfung, ob Hersteller sichere Lebensmittel nach Anforderungen des Handels produzieren können. Das Zertifikat richtet sich nicht an Verbraucher.

Wie die Verbraucherorganisation Foodwatch am Donnerstag erklärte, könnte die Zahl der Listerien-Todesfälle, die mit Wilke-Produkten in Zusammenhang stehen, größer sein als bisher angenommen. Foodwatch beruft sich dabei auf eine aktuelle Veröffentlichung des Robert-Koch-Instituts (RKI). Darin ist die Rede von 37 gemeldeten Listeriose-Erkrankungen seit 2014. Drei Patienten - in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt - starben demnach direkt oder indirekt an der Infektion.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung habe eine "sehr nahe Verwandtschaft" zwischen den Keimen und den Listerien in den Lebensmitteln eines "nicht näher benannten Betriebs aus Hessen" festgestellt. Die beiden südhessischen Todesfälle, auf die sich hessische Behörden im Fall Wilke beziehen, werden dort nicht aufgeführt.

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