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Gesundheit - Stuttgart:Flüchtlinge als Erntehelfer? Bedenken der Landwirte

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Stuttgart/Bruchsal (dpa/lsw) - Flüchtlinge sollen nach Ansicht der Landesregierung in der Corona-Krise verstärkt bei der Ernte von Spargel, Erdbeeren und Gemüse eingesetzt werden. Sie sollen zum Teil die fehlenden Saisonarbeitskräfte aus Osteuropa ersetzen, für die wegen Corona-Ansteckungsgefahr ein Einreisestopp verhängt wurde. Innenminister Thomas Strobl und Agrarminister Peter Hauk teilten am Donnerstag in Stuttgart mit: "In Baden-Württemberg haben wir rund 68 000 Flüchtlinge mit einem Schutzstatus, die im Land bleiben und arbeiten dürfen."

Auch die Einigung im Bund, in diesem und im kommenden Monat jeweils 40 000 Saisonarbeitern aus Osteuropa die Einreise nach Deutschland zu erlauben, ändere an dem Appell nichts. Überdies würden diese Arbeitskräfte nicht alle Lücken füllen können, hieß es aus dem Innenministerium. Die beiden CDU-Minister sagten: "Wir wollen diese Flüchtlinge in Arbeit bringen - Arbeit dient der Integration." Die empfohlene Tätigkeit sei auf freiwilliger Basis.

Bauernpräsident Joachim Rukwied sagte dazu: "Wir brauchen unsere erfahrenen und bewährten Saisonarbeitskräfte aus Osteuropa, die seit vielen Jahren zu uns kommen." Diese seien nicht von heute auf morgen zu ersetzen. "Jede zusätzliche helfende Hand ist herzlich willkommen."

Bedenken kommen vom Verband Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer (VSSE), weil für diese Personengruppe Sozialversicherungsbeiträge anfallen würden. Laut VSSE fehlen in Baden-Württemberg Tausende Helfer.

Seit dem 25. März ist unter anderem Rumänen die Einreise nach Deutschland verboten. Die gut eingearbeiteten Saisonarbeitskräfte aus diesem Land sitzen auf gepackten Koffern und klagen über den Verlust des wichtigen Hinzuverdiensts von mehreren Tausend Euro. Für solche Kräfte wird jetzt eine Ausnahme gemacht. Die Spargelernte hat bereits begonnen, die ersten Erdbeeren können in zwei Wochen geerntet werden.

Minister Hauk sagte, die auf der Plattform www.daslandhilft.de bundesweit mehr als 47 000 registrierten Helfer reichten nicht. Die Entscheidung des Bundesinnenministeriums sei falsch. "Der Einsatz von Flüchtlingen und Asylbewerbern ist nun eine Chance, die für beide Seiten eine Win-Win-Situation bedeuten kann." Infrage kommen anerkannte Asylbewerber, Asylbewerber im Asylverfahren und Geduldete, die derzeit wegen der Corona-Pandemie nicht arbeiten können - weil sie in Gaststätten, Restaurants und Bars beschäftigt waren oder arbeitslos sind.

VSSE-Geschäftsführer Simon Schumacher bezweifelte, dass der Appell des Landes fruchtet, weil die vorgeschlagenen Personengruppen sozialversicherungspflichtig seien. Das bedeute, dass vom Lohn 20 Prozent einbehalten und vom Arbeitgeber dieselbe Summe in die Versicherung eingezahlt werden müssten. Priorität hätten die rumänischen Arbeiter. Wenn diese nicht ausreichten, sei es wirtschaftlicher, Studenten, Schüler, Hausfrauen, Rentner und Kurzarbeiter zu beschäftigen; denn diese fielen nicht unter die Sozialversicherungspflicht.

Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) und Innenminister Horst Seehofer (CSU) verständigten sich darauf, dass die Arbeiter ausschließlich in Gruppen und mit dem Flugzeug einreisen. Vorgesehen ist außerdem eine Gesundheitsprüfung. Liegen Anhaltspunkte auf eine Corona-Infektion vor, soll die Einreise verweigert werden. Die neu eingereisten Helfer müssen demnach in den ersten 14 Tagen nach ihrer Ankunft getrennt von anderen Beschäftigten arbeiten und dürfen den Betrieb nicht verlassen.

Verbandsmann Schumacher erläuterte, aus seiner Sicht sei der Transit der unverzichtbaren Kräfte per Bahn oder Bus durch Ungarn und Österreich nach Deutschland besser. Viele Rumänen wollten nicht fliegen.

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