Gesundheit:Weniger Schmerzen nach Mr.-Bean-Film?

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Um sich einer eindeutigen Definition zu nähern, versuchen Forscher seit Jahren zu erkunden, was genau im Körper passiert, wenn ein Mensch lacht und Freude empfindet: Muskeln um Mund und Augen spannen sich an. Wer laut lacht, braucht zudem Luft - weshalb sich die Atmung verstärkt. Kurzfristig steigt der Blutdruck, intensives Lachen kann richtig anstrengend werden. Auch das Gehirn läuft auf Hochtouren. 17 relevante Studien, die anhand von funktionellen MRT-Aufnahmen die Durchblutung des Gehirns bei Witzen messen, liefern erste Ergebnisse zu der Frage, welche Areale für den Spaß zuständig sind. Bei der Verarbeitung von Witzen scheinen insbesondere die Emotions- und Gedächtniszentren zu arbeiten.

Andere Untersuchungen beschäftigen sich mit der Frage, wie Humor in der Medizin als Therapeutikum eingesetzt werden kann. Der Züricher Forscher Willibald Ruch hat gemeinsam mit Kollegen untersucht, ob Probanden nach einem Mr. Bean-Film weniger schmerzempfindlich sind. Andere Studien liefern Hinweise, dass der Blutzuckerspiegel von Typ2-Diabetikern nach einem Lachyoga-Training beim Essen weniger stark ansteigt. Diskutiert werden auch positive Effekte auf das Immunsystem. Die Vermutung: Lachen führt dazu, dass sogenannte Interleukine die Kommunikation von Immunzellen positiv beeinflussen - oder, etwas plakativer formuliert: Lachen stärkt die Abwehrkräfte. Dafür gibt es erste Hinweise, aber es fehlen bislang eindeutige Belege.

Grundsätzlich gestalten sich Studien zu den physiologischen und neurologischen Details des Lachens als schwierig, weil das menschliche Gehirn in seiner unglaublichen Komplexität noch immer wenig verstanden ist. Mehr noch: Versuche scheitern schon an ganz praktischen Problemen. Für exakte Kernspin-Aufnahmen müssen Patienten möglichst ruhig liegen. Lacht ein Proband aber zu sehr, besteht die Gefahr, dass Bilder verwackeln - und damit nutzlos werden. Andererseits kann es passieren, dass Versuche keine Ergebnisse liefern, weil Versuchspersonen Schwierigkeiten haben, Freude zu empfinden, wenn sie in einer dunklen, lauten und engen Kernspin-Röhre liegen oder eine Nadel zum Blutabnehmen in die Armbeuge gestochen bekommen.

Was passiert im Blut - und tut es den Menschen gut?

Doch ohne geht es nicht. Auch Lisa Linge-Dahl muss ihren Patienten erst mal ein kleines bisschen wehtun, damit es ihnen irgendwann besser geht. Die Psychologin an der Uniklinik Bonn betreut eines der wenigen Humorforschungsprojekte. In einer klinischen Studie - Beginn ist wohl erst im neuen Jahr - will sie herausfinden, ob die Schmerzen von Palliativpatienten abnehmen, wenn sie zuvor gemeinsam mit Klinikclowns lachen durften. Mit einer sogenannten Schmerzmessung, kleinen Nadelpiksern an der Hand, einer Speichelprobe zur Bestimmung von Hormonen, und einem Fragebogen wollen sie und ihre Kollegen herausfinden, ob das funktioniert mit dem Quatsch am Krankenbett. Linge-Dahl betont, dass sie Wert auf die Erfolgsmessung legt. Es geht also nicht nur darum zu untersuchen, was genau im Blut der Patienten passiert, sondern auch um die Frage, ob es ihnen guttut.

Ein ähnlicher Versuch hat bereits an der Uniklinik in Greifswald erste Ergebnisse geliefert. In einer Pilotstudie hat der Chirurg Winfried Barthlen bei 31 Kindern den Oxytocin-Spiegel im Speichel messen lassen, ein Hormon, das Vertrauen steigern und Ängste abbauen soll. Ergebnis: Bei jenen Kindern, die vor der Messung mit einem Klinikclown spielen durften, war der Oxytocin-Spiegel um bis zu 30 Prozent erhöht. Barthlen gibt zu, dass dieser Befund nur ein Hinweis ist, dass Lachen hilft. Im kommenden Jahr soll deshalb eine ähnliche Studie mit 400 Probanden beginnen. Im September will er auf der Jahrestagung der Kinderärzte für sein Vorhaben werben - allerdings eher zähneknirschend. Lieber hätte er es gesehen, wenn sich seine Assistenzärzte für das Projekt engagieren würden. Doch das ist nicht der Fall.

Denn noch ein zweites Problem bremst die Humorforschung in Deutschland. Noch immer werden Wissenschaftler, die sich diesem Thema widmen, von vielen ihrer Kollegen belächelt. Insbesondere Nachwuchsforscher tun sich schwer damit, auf Kongressen und bei Vorträgen als Humorforscher aufzutreten - zu groß ist die Sorge, als unseriös abgestempelt zu werden. Öffentlich will niemand die Humorforschung kritisieren, intern aber rümpfen Ärzte in vielen Kliniken die Nase.

Gefahr, dass Ärzte nicht mit, sondern über Patienten lachen

Hinzu kommt, dass nicht einmal die Arbeit mit Humor ohne Risiken ist. Denn Humorinterventionen sind nicht für jeden Patienten geeignet. Der Grat zwischen Spaß und Selbstentwertung ist bei einigen Patienten so schmal wie so mancher Witz, über den sie lachen sollen. Zudem fühlen sich einige Patienten durch zu viel Scherz in ihrem Leid nicht ernst genommen. Auch besteht die Gefahr, dass Ärzte und Therapeuten nicht mit, sondern über Patienten lachen. Das mag nach Feierabend ein probates Mittel gegen Frust sein, narzisstische Selbstdarstellung eines Arztes am Krankenbett ist allerdings gefährlich. Deshalb sagen Wild, Linge-Dahl und Barthlen unisono: Einfach Draufloslachen geht nicht. Man müsse vielmehr genau abstecken, ob und wann Humor für den Patienten infrage kommt.

Trotz der fehlenden Beweise, trotz des Imageproblems, trotz der Nebenwirkungen: Die Befürworter meinen es ernst mit dem Spaß. So ernst, dass Humorinterventionen bereits bei Hunderten Patienten in Deutschland Teil der Therapie sind. Dabei zählt im Alltag vor allem die Praxis: In der Lachstunde in Stuttgart sind Fragen nach Hormonen und Gehirnarealen weit weg. Die 14 Patienten amüsieren sich prächtig, manche sehr, alle ein bisschen. Bei den Übungen ("Und jetzt spielen wir einen Toaster") wird klar: Hier macht sich jeder gleichermaßen lächerlich, niemand kann gewinnen. Das verbindet.

Die Teilnehmer kneifen sich in die Schulter, klatschen ab, zwinkern sich zu, stacheln sich gegenseitig an. Es sind kindische Momente, die aus diesen Menschen sprudeln, die meisten über 40, viele hatten jahrelang nichts mehr zu lachen. "Wir kämpfen hier auch gegen die Einsamkeit", sagt Wild. Trotz Familie und Job hätten viele ihrer Patienten verlernt, was Gemeinschaft bedeutet. Und so kommt es, dass Humorinterventionen trotz ungeklärter Fragen bereits in den Klinikalltag einziehen. Während Medikamente aufwendige klinische Studien durchlaufen müssen, um gefährliche Nebenwirkungen auszuschließen, sind sich beim Thema Humor Kritiker wie Befürworter einig: Totgelacht hat sich noch niemand. Das ist doch schon mal was.

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