Gastgewerbe - Schwerin:Vabanquespiel um Öffnungen in einigen Regionen in MV

Corona
Manuela Schwesig (SPD), die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, mit Mundschutz. Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/ZB/Archivbild (Foto: dpa)

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Schwerin (dpa/mv) - Mögliche Lockerungen entwickeln sich vor dem Corona-Landesgipfel am Freitag in einigen Regionen Mecklenburg-Vorpommerns zum Vabanquespiel. Die Landkreise Rostock, Ludwigslust-Parchim und Nordwestmecklenburg liegen derzeit mit 91,5 bis 96,4 Corona-Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen nur denkbar knapp unter dem kritischen Wert von 100, wie aus Zahlen des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lagus) hervorgeht. Der Landkreis Vorpommern-Greifswald liegt mit 111,6 sogar darüber.

Bund und Länder hatten sich am späten Mittwochabend darauf verständigt, dass in Regionen mit einer 7-Tage-Inzidenz von unter 100 Lockerungen möglich sind. Dazu zählt laut Beschlusspapier etwa das Einkaufen nach vorheriger Terminvergabe. Auf gleichem Wege soll die Öffnung von Museen und Galerien möglich sein. Wird dieser Wert von 100 an drei aufeinander folgenden Tagen überschritten, tritt eine Art Notbremse in Kraft, die dann wieder für Schließungen sorgen könnte.

Vorpommern-Rügen, die Hansestadt Rostock und die Mecklenburgische Seenplatte liegen derzeit bei weniger als 50 Corona-Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tage. Dort wären weitgehendere Öffnungsschritte möglich. So könnte etwa der Einzelhandel dort ohne Terminvergabe Kunden beraten, was für mehr Laufkundschaft sorgen dürfte.

Er werde als Landrat alle eingeräumten gesetzlichen Möglichkeiten nutzen, um schrittweise wieder zu einer gewissen Normalität im Landkreis zurückzukehren, teilte Stefan Kerth (SPD), Landrat von Vorpommern-Rügen, mit. Der Landkreis verwies jedoch für finale Entscheidungen auf den Corona-Landesgipfel am Freitag.

Dann will die Landesregierung die konkrete Umsetzung der Pläne beraten. An den Gesprächen nehmen wie gewohnt Vertreter von Kommunen, Sozialverbänden und der Wirtschaft teil. Die Regelungen sollen dann voraussichtlich kommenden Montag in Kraft treten.

Tourismuswirtschaft, Gastronomie und Handel in Mecklenburg-Vorpommern hatten mit Enttäuschung und Kritik auf die Ergebnisse der Bund-Länder-Beratungen zum weiteren Vorgehen in der Corona-Pandemie reagiert. "Es ist das schlechte Ergebnis geworden, das sich angedeutet hat: Tourismus am Ende der Nahrungskette und vollkommen im Ungefähren", kritisierte Tobias Woitendorf, Geschäftsführer des Landestourismusverbands. Auch der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) sowie der Einzelhandelsverband äußerten sich kritisch.

Die von Bund und Ländern vereinbarten Lockerungen würden den allermeisten Betrieben nicht helfen, sagte der Präsident der Landesvereinigung der Unternehmensverbände, Lars Schwarz, der auch dem Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) in Mecklenburg-Vorpommern vorsteht. Schwarz bezeichnete die Lage für das Gastgewerbe als ernüchternd und enttäuschend. "Eine klare Perspektive ist wieder vertagt worden", sagte er.

Nach Einschätzung des Einzelhandelsverbandes übersteigt der erforderliche Aufwand für viele Händler den zu erwartenden Nutzen. "Für die Innenstädte fehlt eine wirkliche Perspektive und in den Tourismusregionen sind keine Urlauber da, die das Geschäft ankurbeln könnten", sagte der Geschäftsführer des Handelsverbandes Nord in Rostock, Kay-Uwe Teetz. Nach seinen Angaben werden am Freitag etwa 200 Betroffene vor dem Sitz des Landtags für weitergehende Öffnungsmöglichkeiten demonstrieren. Der Verband fordert die sofortige Öffnung aller Geschäfte und verweist auf wirksame Hygienekonzepte, die dafür entwickelt worden seien. Die Protestaktion vor dem Schweriner Schloss wird auch vom Tourismus- sowie vom Hotel- und Gaststättenverband mitgetragen.

Auch die Industrie- und Handelskammern in Mecklenburg-Vorpommern zeigten sich enttäuscht. "Das Ergebnis des Bund-Länder-Gipfels bleibt insgesamt deutlich hinter den Erwartungen der Wirtschaft in MV zurück", konstatierte Matthias Belke, Präsident der IHK Schwerin. Er erneuerte die Forderung nach Abkehr von der Sieben-Tage-Inzidenz als wesentlichem Beurteilungskriterium für Lockerungen des Lockdowns. Belke kritisierte, dass für Beherbergungsbetriebe, ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor für das Land, oder die Veranstaltungsbranche noch keine reale Perspektive aufgezeigt worden sei. Darüber wollen Bund und Länder erst am 22. März beraten.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Nord nahm die Unternehmen mit Blick auf den Gesundheitsschutz der Mitarbeiter in die Pflicht. "Die Kosten für die Tests müssen vom Arbeitgeber getragen werden. Wer weitere Öffnungen will, muss auch für den größtmöglichen Schutz seiner Beschäftigten sorgen", sagte Ingo Schlüter vom DGB Nord.

© dpa-infocom, dpa:210304-99-679995/5

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