Gesundheit - Saarbrücken:Expertin: Häusliche Gewalt wird sich verschärfen

Corona
Ein als Silhouette abgebildeter Mann droht einer Frau mit der Faust. Foto: Jan-Philipp Strobel/dpa/Illustration/Archivbild (Foto: dpa)

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Saarbrücken/Mainz (dpa/lrs) - Im Zuge der Corona-Krise rechnet eine Saarbrücker Psychologin mit einem Anstieg von Fällen häuslicher Gewalt. "Dort, wo es schon Gewalt gibt, da wird sie noch einmal schlimmer. Und es werden leider auch neue Fälle hinzu kommen", sagte die Leiterin des Lehrstuhls Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität des Saarlandes, Tanja Michael, der Deutschen Presse-Agentur.

Grund für eine "Verschärfung" von häuslicher Gewalt sei der Umstand, dass nach der Schließung von Kitas und Schulen sowie weitgehenden Kontaktverboten wegen der Corona-Pandemie Familien auf sich zurückgezogen seien.

Vor allem um betroffene Kinder müsse man sich nun "extrem sorgen", sagte die Professorin. Die Zahl der Kinder, die zur Risikogruppe von körperlicher Misshandlung und sexuellem Missbrauch gehöre, werde bundesweit auf rund 20 Prozent geschätzt. "Die Täter haben jetzt viel mehr Zugriff auf die Kinder, und die Kinder haben weniger Möglichkeiten, nach außen Signale zu senden, dass etwas nicht stimmt." Hinzu komme, dass die Täter in der derzeitigen Situation vermutlich "noch schlechter gelaunt sind als normalerweise".

Die Zahlen in der Statistik der Polizei umfassten nur einen Bruchteil der betroffenen Personen, sagte Michael. Man müsse von einer hohen Dunkelziffer ausgehen. "Die meisten Fälle werden nicht angezeigt."

Die Polizeiliche Kriminalstatistik weist für Rheinland-Pfalz im Jahr 2019 rund 8400 Straftaten im Zusammenhang mit Gewalt in engen sozialen Beziehungen aus. In knapp zwei Dritteln der Fälle waren die Opfer Gewalt durch den Ehepartner oder den Lebensgefährten ausgesetzt. Beim übrigen Drittel war der ehemalige Partner der Täter. 2010 hatte es in diesem Deliktfeld noch etwa 1000 Straftaten weniger gegeben.

Im Saarland wurden 2018 rund 2600 Delikte der häuslichen Gewalt registriert. Meist handelte es sich um Körperverletzungen. Drei Viertel der Täter waren Männer.

Aus Wuhan in China, wo das Coronavirus zunächst grassierte, gebe es Untersuchungen zu der Entwicklung: Dortige Frauenorganisationen hätten in der Quarantäne-Zeit drei Mal so viele Opfer von häuslicher Gewalt registriert. Zudem habe die Polizei doppelt so viele Notrufe von Frauen bekommen. Manche würden auch aggressiv, weil sie ihre Arbeit verloren hätten oder um Jobverlust fürchteten.

Michael ging davon aus, dass Zahlen zu der derzeitigen Entwicklung erst Monate später vorliegen. "Wir werden einen Anstieg haben sowohl im Aggressionsbereich als auch im Substanz-Abhängigkeitsbereich" zum Beispiel mit Alkohol, prognostizierte sie. Gerade in der Zeit der Zurückgezogenheit sei es wichtig, dass Lehrer, Nachbarn und Hausbewohner aufpassten. Und: Dass sie weiterhin mit Opfern in Kontakt blieben.

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