Süddeutsche Zeitung

Gesundheit:Warum Frauen die besseren Ärzte sind

Frauen sind die besseren Ärzte, auch in der Chirurgie. Dafür gibt es gute Gründe. Die sollten sich auch Männer mal anschauen.

Kommentar von Christina Berndt

Frauen sind vielleicht nicht unbedingt die besseren Menschen, auch wenn man angesichts der von männlichen Despoten getriebenen Weltgeschehnisse gerade geneigt ist, selbst das zur Diskussion zu stellen. Aber Frauen sind in jedem Fall die besseren Ärzte. Vor allem für Frauen. (Im Durchschnitt natürlich nur, es gibt auch tolle männliche Ärzte.)

Dass das sogar für knallharte Fächer wie die Chirurgie stimmt, wurde neulich im Fachblatt JAMA diskutiert. Wenn eine Chirurgin das Skalpell führt, sind Komplikationen seltener, als wenn ein Chirurg am Werk ist. Das gilt umso mehr, wenn unter dem Skalpell Frauen liegen, wie eine Analyse von 1,3 Millionen Operationen an den Tag brachte: Wird eine Frau von einem Chirurgen statt einer Chirurgin operiert, wächst demnach die Wahrscheinlichkeit, dass es nicht gut ausgeht, um erschreckende 15 Prozent.

Ärztinnen kommunizieren besser mit ihren Patienten. So erfahren sie mehr

Es gäbe ein paar Wege, die Kittel männlicher Chirurgen wieder weißzuwaschen: Männliche Patienten sind oft besser versichert und bekommen deshalb die besseren Ärzte, was die Komplikationsrate senkt. Außerdem stehen männliche Ärzte in der Hierarchie höher und müssen daher häufiger die schwereren Fälle operieren, was die Komplikationsrate erhöht. Aber all diese Faktoren wurden in der Studie herausgerechnet.

Das bessere Abschneiden weiblicher Chirurgen scheint tatsächlich an ihrer Weiblichkeit zu liegen. Denn was Frauen und Männer immer noch unterscheidet, ist ihre Kommunikation. Ärztinnen sprechen intensiver mit ihren Patienten. Sie vermitteln so mehr Sicherheit, und sie erfahren mehr. Auch ist bekannt, dass Ärzte Patientinnen weniger ernst nehmen, etwa wenn sie über Schmerzen klagen. Nach einer Operation gehören Schmerzen dazu, aber sie können auch Hinweise auf Komplikationen sein. Umso wichtiger ist es, Patienten zum Reden zu ermutigen und ihnen zuzuhören. Und schließlich berichten etwa Narkoseärzte, wie viel kollegialer und offener die Atmosphäre im OP-Saal ist, wenn eine Chirurgin das Sagen hat.

Es ist diese weibliche Art zu arbeiten, die zu besseren Ergebnissen führt. Übrigens auch dann, wenn Männer so arbeiten. Leider befördern die besseren Ergebnisse trotzdem oft nicht die Karriere. Das wird sich erst ändern, wenn Erfolg ehrlicher gemessen wird. Nicht beim Bier nach Feierabend. Sondern durch so etwas Unbestechliches wie Komplikationsraten. Und dann wird die weibliche Art zu arbeiten für alle attraktiv.

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