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Gesundheit - Mainz:Wachsende Sorge um Flüchtlinge in der Erstaufnahme

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Mainz (dpa/lrs) - Angesichts der zunehmenden Ausbreitung der Corona-Pandemie haben Flüchtlingshelfer die Auflösung von Sammelunterkünften für Asylbewerber gefordert. "Aufgrund der engen Belegung und der meist gemeinschaftlichen Nutzung von Bädern, Küchen und anderen Flächen sind die in den Sammelunterkünften untergebrachten Menschen besonders gefährdet, sich mit dem Coronavirus zu infizieren", heißt es in einem Appell der Landesflüchtlingsräte und weiterer Organisationen.

Asylbewerber in den rheinland-pfälzischen Erstaufnahme-Einrichtungen könnten die angeordneten Kontaktbeschränkungen nicht befolgen, wenn sie in Mehrbettzimmern untergebracht seien, Sanitäranlagen teilen müssten sowie vor der Essensausgabe in Schlangen anstehen müssten, sagten Pierrette Onangolo vom Arbeitskreis Asyl - Flüchtlingsrat RLP und Torsten Jäger vom Initiativausschuss für Migrationspolitik der Deutschen Presse-Agentur. Gemeinschaftsräume und Außenanlagen, die von Hunderten von Bewohnern und Bewohnerinnen gemeinsam genutzt werden müssten, machten eine Einhaltung der von Bund und Land angeordneten Kontaktbeschränkungen unmöglich.

"Die Verbreitung des Virus ist unter den Lebensumständen in einer Erstaufnahmeeinrichtung nahezu vorprogrammiert", warnten Onangolo und Jäger. Insbesondere für ältere und kranke Menschen sowie für schwangere Frauen könne dies "in kürzester Zeit lebensbedrohlich werden". Zudem besteht die Gefahr, dass die zurzeit noch aufrecht erhaltene Sozialbetreuung einschließlich der psycho-sozialen Betreuung in den Erstaufnahmeeinrichtungen zurückgefahren werden müsse, wenn deren Mitarbeiter selbst vermehrt von Infektionen betroffen seien.

Die ohnehin psychisch angespannte Situation vieler Flüchtlinge werde jetzt noch von der Angst verstärkt, angesteckt zu werden und zu erkranken. Es besteht die Gefahr, dass die Menschen in der Erstaufnahme zunehmend sich selbst überlassen blieben, was dort zu erhöhten Spannungen führen könnte.

Der Landesflüchtlingsrat und der Initiativausschuss für Migrationspolitik forderten die Landesregierung auf, bald ein Konzept zu entwickeln, um den besonderen Herausforderungen in der Erstaufnahme zu begegnen. Nötig sei jetzt eine Umverteilung auf kleinere kommunale Unterkünfte.

Das Integrationsministerium teilte mit, es verfolge täglich die dynamischen Entwicklungen angesichts der Corona-Pandemie, in enger Abstimmung mit den anderen Bundesländern und dem Bund. Die gegenwärtige Lage sei mit Einschränkungen in vielen Lebensbereichen verbunden. "Das betrifft auch die Belange von Asylsuchenden und Ausreisepflichtigen, aber auch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei den Behörden." Vorsprachen bei Ausländerbehörden seien "weitestgehend minimiert" worden. Die Behörden seien angewiesen, bei Abschiebungen von medizinisch besonders gefährdeten Personen in Risikogebiete "im Zweifel Duldungen auszustellen oder bei glaubhaftem Willen zur freiwilligen Ausreise die Ausreisefrist zu verlängern".

Abschiebehaft werde bei Unmöglichkeit einer Abschiebung sofort beendet, erklärte das Ministerium. Die Zahl der Häftlinge im Abschiebegefängnis Ingelheim ging zuletzt auf 15 zurück - bei insgesamt 40 Haftplätzen. Zwar gebe es keine automatische Haftentlassung, aber zum einen gebe es derzeit erhebliche Einschränkungen im internationalen Flugverkehr, zum anderen hätten viele Staaten erklärt, bis auf weiteres keine Abschiebungen aus Deutschland mehr zu akzeptieren, erklärte das Ministerium. "Es ist rechtlich nicht zulässig, Geflüchtete in Abschiebehaft zu lassen, wenn gar keine Abschiebung mehr möglich ist", sagte Integrationsministerin Anne Spiegel (Grüne). "Und diesen gesetzlichen Anforderungen werden wir natürlich Rechnung tragen."

"Das Coronavirus sieht nicht, welche Nation oder welches Alter eine Person hat", sagte der Leiter des Migrationsbüros Rheinland-Pfalz/Hessen bei den Malteser-Werken, Behrouz Asadi. "Alle sind betroffen." Bei der Unterbringung von Geflüchteten in den Kommunen gebe es bislang kein einheitliches Vorgehen, es werde nach den jeweiligen Möglichkeiten und Gegebenheiten vor Ort gehandelt. Das Migrationsbüro gehe auf alle Menschen mit Migrationshintergrund zu und mache sie in ihrer Landessprache auf die Notwendigkeit der Prävention aufmerksam.

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