Manchmal sieht man es auf Fußballplätzen oder auch noch am Straßenrand: Mit zackigen Bewegungen versuchen Freizeitsportler bei durchgedrückten Beinen die Finger oder gar die Hand auf den Boden zu bekommen. Diese Leibesertüchtigung in Turnvater-Jahn-Manier mag Zuchtmeister alter Schule erfreuen - gesund ist sie nicht. Ärzte aus Kanada haben die Mythen, Moden und Empfehlungen zum Dehnen und Stretchen untersucht. Im Fachblatt Applied Physiology, Nutrition, and Metabolism (online) zeigen sie, was ein optimales Aufwärmprogramm ausmacht.
"Man darf nicht jedem Trend hinterherlaufen", sagt Studienleiter David Behm von der Memorial University in Neufundland. Der Wissenschaftler hat mehr als hundert Studien zusammengefasst und beobachtet, dass in der Vergangenheit manche Übungen zu einseitig propagiert wurden. Während von den 1960er-Jahren bis in die 1990er-Jahre hauptsächlich isometrisches Dehnen empfohlen wurde, bei dem die Muskeln angespannt aber die Gelenke nicht bewegt werden, sind später dynamische Übungen populär geworden.
"Dehnen ist eine Daueraufgabe, um die Beweglichkeit aufrechtzuerhalten sowie Stürze und Verletzungen zu verhindern", sagt Bernd Wolfarth, Chef der Sportmedizin an der Berliner Charité. "Bei den meisten von uns ist die Muskulatur durch ständiges Sitzen dauerverkürzt, und deswegen ist der Druck auf die Sehnenansätze an den Knochen größer, wenn wir uns doch mal bewegen." Sportmediziner empfehlen vor der eigentlichen Belastung leichte Aufwärmübungen, etwa langsames Laufen oder ein paar Runden auf dem Rad, um die Muskeln zu lockern und den Kreislauf in Schwung zu bringen. Zudem ist es wichtig, die Gelenke zu mobilisieren, indem man beispielsweise mit dem Fuß eine Acht in die Luft zeichnet.
Wider die Bequemlichkeit:Bewegung für Sportmuffel
Bewegung in den Alltag einfließen zu lassen, ist leichter als gedacht. Ehe Sie jetzt schon abwinken: Wir kennen die Ausreden - und haben sie für Sie entkräftet.
Nach dem Sport ist Dehnen wichtiger als vorher. Dabei ist eine Mischung aus isometrischen und dynamischen Übungen zu empfehlen. So sollte dynamisch ein bestimmter Dehnungszustand erreicht werden, etwa die Ferse im Einbeinstand an das Gefäß gezogen werden - um sie dort 15 bis 20 Sekunden zu halten. Wer partout per Rumpfbeuge die Hände bei gestreckten Beinen auf den Boden bringen will, sollte dies behutsam tun und in dieser Position eine Weile verharren. "Es ist wichtig, dass man fließend - wie etwa beim Yoga - Bewegungen ausführt und nicht abrupt die Muskeln belastet, sonst steigt das Verletzungsrisiko ", sagt Wolfarth. Einbeinstand und Gleichgewichtsübungen auf Wackelbrettern verbessern zudem die Balance und schulen tiefere Muskelschichten wie auch die Tiefensensibilität.
"Zur perfekten Vor- und Nachbereitung gehören alle Komponenten", sagt Sportphysiologe Phil Chilibeck. "Aufwärmen, Gelenke mobilisieren, dynamisch und statisch dehnen." Das gilt für Profiathleten, Hobbysportler und Fitness-Enthusiasten gleichermaßen.