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Gesundheit - Greifswald:Experte zu Corona: Laborpannen-Debatte politisch motiviert

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Greifswald/Genf (dpa) - Für den Zoonosen-Experten Fabian Leendertz ist die neu aufgeflammte Diskussion um eine Laborpanne als möglichem Ursprung der Corona-Pandemie "rein politisch motiviert". Dahinter stünden politische Machtspiele, sagte der Gründungsdirektor des Helmholtz-Instituts für One Health (HIOH) in Greifswald der Deutschen Presse-Agentur.

"Leider gibt es keine neuen Daten, die die Laborhypothese stärken würden, die mir bekannt wären. Es bleibt die aller unwahrscheinlichste aller Hypothesen", beteuerte der Veterinärmediziner, der selbst in die Suche der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nach dem Ursprung eingebunden war. Die WHO hatte die USA nach den jüngsten Aussagen von US-Behörden um Herausgabe der zugrundeliegenden Informationen gebeten. Es seien Anfragen an die diplomatische US-Vertretung in Genf gestellt worden, bislang habe man keine Berichte erhalten, hatte die WHO-Expertin Maria von Kerkhove am Freitag gesagt.

Der Chef der Bundespolizei FBI, Christopher Wray, hatte dem Sender Fox News kürzlich gesagt: "Das FBI geht schon seit geraumer Zeit davon aus, dass der Ursprung der Pandemie höchstwahrscheinlich ein möglicher Laborvorfall in Wuhan ist." Es gehe "um ein mögliches Leck in einem von der chinesischen Regierung kontrollierten Labor". Nach einem Bericht des "Wall Street Journal" geht auch das US-Energieministerium nun von einer möglichen Laborpanne aus, wenn auch mit einem "niedrigen" Grad der Gewissheit. Das Verhältnis zwischen den USA und China ist derzeit aus verschiedenen Gründen schwer belastet.

Leendertz sagte hingegen, es gebe gute wissenschaftliche Hinweise, dass die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung auf einem Markt im chinesischen Wuhan extrem hoch sei. Er bekräftigte, dass eine Übertragung über Zwischenwirte, die das Virus oder dessen Vorfahren eventuell von Fledertieren bekommen haben, am wahrscheinlichsten sei. Diese könnten sich beispielsweise auf Wildtierfarmen infiziert haben, auf denen eine hohe Dichte an Insekten auch Fledermäuse anziehe.

"Das alleine wäre ja auch schon ein Skandal und Grund genug für die chinesische Regierung, nicht offen zu sein." Die Wildtierfarmen und die Nutzung der verschiedenen Wildtiere werden schon lange kritisiert und eindeutig als gefährlich beschrieben.

Wissenschaftler suchen seit drei Jahren nach dem Ursprung der Pandemie. Eine WHO-Delegation war Anfang 2021 in China, weitere Reisen internationaler Experten hatte Peking abgelehnt. Die WHO hat mehrere Untersuchungen in China und anderswo empfohlen, die aber bislang nicht geliefert wurden. China weist kategorisch zurück, dass das Virus aus einem Labor entwichen sein könnte. In Wuhan, wo Ende 2019 erstmals Coronaerkrankungen auftauchten, wird in einem Labor an Coronaviren geforscht.

Der Ursprung muss nach Ansicht des WHO-Chefs Tedros Adhanom Ghebreyesus gefunden werden, um künftige Pandemien möglichst zu verhindern. "Die WHO fordert China weiterhin auf, Daten transparent weiterzugeben, die notwendigen Untersuchungen durchzuführen und die Ergebnisse zu veröffentlichen", hatte er am Freitag gesagt. "Zu diesem Zweck habe ich mehrfach an hochrangige chinesische Politiker geschrieben und mit ihnen gesprochen, zuletzt vor wenigen Wochen. Bis dahin bleiben alle Hypothesen über den Ursprung des Virus auf dem Tisch."

© dpa-infocom, dpa:230304-99-825239/2

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