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Gesundheit - Gießen:Hessische Psychologen forschen zu Corona

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Marburg/Gießen/Frankfurt (dpa/lhe) - Die Corona-Pandemie und ihre Folgen beschäftigen nicht nur Virologen, sondern hat auch Psychologen auf den Plan gerufen. An hessischen Universitäten gibt es bereits mehrere Studien zu den Auswirkungen von Kontaktbeschränkungen und Lockdown. Im Blick dabei: Familien, die Arbeitswelt oder Ängste.

An der Philipps-Universität Marburg beispielsweise hat die Forscherin Hanna Christiansen während des ersten Lockdowns Eltern zum Thema Distanzunterricht und Homeschooling befragt - europaweit im Team mit Kollegen. Ein Ergebnis: Die Qualität des Angebots sei aus Sicht vieler Erziehungsberechtigter gering gewesen. "Es gab wenig Unterstützung durch die Schule und eine hohe Unzufriedenheit unter den Eltern", so Christiansen. "Die elterliche Belastung stieg an, ebenso Stress und Sorgen, die zu häuslichen Konflikten führten." Eine kleine Zahl der Befragten habe auch angegeben, vermehrt Alkohol und andere Substanzen zu konsumieren.

Für die Studie wurden knapp 7000 Elternteile in sieben europäischen Ländern befragt. Auffällig für Deutschland sei gewesen: "Eine der größten Herausforderungen im deutschen Bildungssystem ist, dass es keine einheitlichen Konzepte gibt." Selbst von Klasse zu Klasse an derselben Schule könne die Vorgehensweise variieren.

In einer zweiten Studie wurden von März bis Sommer bundesweit mehr als 2600 Eltern von Kindern aller Altersstufen befragt. Dabei stellten Christiansen und ihr Team fest, dass zwei Aspekte den Erfolg des Distanzlernens besonders positiv beeinflussten: "Je häufiger Lehrkräfte über Telefon oder Videokonferenz Kontakt mit den Schülern hatten, desto besser waren deren schulische Ergebnisse", erklärt die Professorin für klinische Kinder- und Jugendpsychologie. Auch der Kontakt zu Eltern hatte demnach einen positiven Einfluss.

Wichtig war aber auch der sozioökonomische Status: "Je höher der Schulabschluss der Eltern war, desto mehr Motivation, Lernfortschritt sowie kompetentes und unabhängiges Lernverhalten zeigten die Schüler." Kinder aus weniger privilegierten Familien würden abgehängt. "Die Schere geht durch häusliches Lernen weiter auseinander", sagt die Wissenschaftlerin.

Sozialpsychologe Jan Häusser von der Justus-Liebig-Universität Gießen hat im Bereich Arbeits- und Organisationspsychologie geforscht. "Wir hatten zufällig bereits im Februar begonnen, britische Arbeitnehmer zu fragen, wie ihre Arbeitgeber zu einem gesundheitsbewussten Verhalten beitrugen", erzählt er. Nach dem Lockdown wurden die rund 300 Teilnehmer erneut befragt. Unternehmen, die die Gesundheit förderten, waren den Ergebnissen zufolge auch schnell bei der Umsetzung der Corona-Maßnahmen. "Engagierte Firmen konnten auf diese Weise auch dazu beitragen, dass Arbeitnehmer sich in ihrer Freizeit mehr an die Regeln hielten", so der Professor.

Am Institut für Psychologie der Goethe-Universität Frankfurt lief eine Studie zu Angst vor Corona. Mehr als 1300 Personen haben dafür online einen Fragebogen ausgefüllt. Das Ergebnis: "Es sind eher Emotionen als Informationen, die unseren Umgang mit Corona beeinflussen", berichtet Studienleiter Ulrich Stangier. Die Teilnehmer wurden nach ihrem Umgang mit Vorschriften und Empfehlungen zur Prävention befragt. Sie sollten etwa angeben, ob sie öffentliche Plätze aufsuchen und sich häufiger die Hände waschen.

Es zeigte sich, dass sich Menschen mit großer Angst vor einer Ansteckung präventiv verhielten. Auch psychischer Stress trug dazu bei. Risikoverhalten dagegen zeigten laut Untersuchungsergebnis Befragte, die angaben, wenig Angst vor einer Infektion zu haben. Professor Stangier und sein Team führen derzeit eine Folgestudie durch. Dabei geht es um die Zusammenhänge zwischen Angst vor Ansteckung auf der einen Seite und Vertrauen in staatliche Institutionen sowie Maßnahmen gegen Corona auf der anderen Seite.

© dpa-infocom, dpa:210130-99-231225/2

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