München/Nürnberg (dpa/tmn) - In Keil- und Kugelform, mit eingebautem Lautsprecher, für Allergiker oder Rückenpatienten: Ein gutes Kissen zu kaufen, scheint angesichts der vielen möglichen Formen und Extras eine Wissenschaft für sich.
Experten sagen jedoch: Alles gar nicht so wichtig - Hauptsache bequem. Ein Kissen muss vor allem drei Dinge leisten, erklärt Prof. Peter Young, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM). „Es muss einen schmerzfreien Schlaf ermöglichen, es darf keine Haltung erzwingen, und es muss sich subjektiv gut anfühlen.“
Dieses positive Schlaferlebnis ist nicht nur gut für die Laune und die Leistungsbereitschaft - es schützt auch vor Schmerzen und Verletzungen. „Wenn Sie gestresst und gerädert aufwachen, ist das ja auch für den Rücken und die Wirbelsäule nicht gut“, sagt Prof. Bernd Kladny, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU).
Sicht des Orthopäden
Aus Sicht des Orthopäden ist der Schlaf vor allem für die Wirbelsäule wichtig: „Sie muss tagsüber den Körper tragen und nachts regenerieren.“ Damit das gelingt, müssen die Bandscheiben leicht aufquellen können, weil sie sich mit Nährstoffen vollsaugen. „Und das geht nur dann, wenn die Wirbelsäule in ihrer natürlichen Form ist und nicht gequetscht oder überdehnt ist“, sagt Kladny.
Passiert das nicht, funktionieren langfristig die Reparaturprozesse der Bandscheiben nicht mehr - das Risiko von Schäden steigt. Ein neues Kissen sollte man daher möglichst ausprobieren. Rückengesunde Menschen könnten an sich selbst gut beobachten, welches Kissen ideal sei, sagt Kladny. Wer ohnehin Rücken- oder Nackenprobleme hat, braucht aber eventuell Beratung.
Nur zu groß sollte das Kissen nie sein: „Wichtig ist gerade bei Bauch- und Rückenschläfern, dass nur der Kopf auf dem Kissen liegt“, sagt Kladny. „Deshalb ist die normale Kissengröße von 80 mal 80 Zentimetern da nicht so geeignet.“
Gibt es das ideale Kissen?
Ob es sich bei dem neuen Kissen um ein Seitenschläfer- oder Bauchkissen handelt, ist für den Orthopäden dagegen nicht so wichtig. „Das eine ideale Kissen gibt es nicht, weil wir uns ja nachts auch bewegen“, sagt er. Bevorzugte Lagen gibt es natürlich dennoch. Aus Sicht des Orthopäden macht das kaum einen Unterschied, zumindest beim Kissenkauf: „Bei allen besteht das Risiko, dass man die Wirbelsäule knickt oder überstreckt“, sagt Kladny.
Geht es nicht um die Wirbelsäule, kennen Experten aber doch ein paar Unterschiede zwischen den Liegepositionen: „Wer schnarcht, schläft oft auf dem Rücken oder auf der rechten Seite“, sagt Prof. Kneginja Richter. Sie leitet die Schlafsprechstunde an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Paracelsus Medizinische Privatuniversität (PMU) Nürnberg.
„Die gesündeste Lage zum Schlafen ist die linke Seite, weil so auch das Herz entlastet wird. Auf dem Bauch zu schlafen, kann dagegen mehr Falten verursachen“, erklärt die Expertin. Diese Vorliebe zu verändern, sei mit bestimmten Kissen zwar möglich, dauere aber lange und sei damit die Mühe kaum wert. „Eine Ausnahme sind höchstens Kissen, die den Rückenschlaf verhindern sollen“, sagt Schlafexperte Young. Die brauchen zum Beispiel Patienten mit Apnoe, Atemaussetzern also, die nur in Rückenlage auftreten.
Gleiches gilt seiner Meinung auch für andere Extras im Kissen - integrierte Musik etwa: Erlaubt ist, was gut schlafen lässt. Pflicht sind die aber nicht, denn ihre Wirksamkeit ist nicht erwiesen. „Im Einzelfall kann das sinnvoll sein - es kann aber beim Menschen mit Ein- und Durchschlafstörung auch dazu führen, dass sie erst richtig auf die Probleme fokussieren“, sagt Young.