Gesundheit:Spahn will den Termin-Frust der Kassenpatienten mildern

Gesundheit: Gesundheitsminister Spahn will die schon existierenden Termin-Service-Stellen weiterentwickeln: So ist eine bundesweit einheitliche Telefonnummer geplant.

Gesundheitsminister Spahn will die schon existierenden Termin-Service-Stellen weiterentwickeln: So ist eine bundesweit einheitliche Telefonnummer geplant.

(Foto: AFP)
  • Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will erreichen, dass Kassenpatienten in Zukunft schneller einen Facharzttermin bekommen.
  • So sollen niedergelassene Ärzte in Zukunft mindestens 25 Stunden in der Woche als Sprechstundenzeiten anbieten müssen - fünf mehr als bisher.
  • Zudem sollen Ärzte gefördert werden, die viele Patienten übernehmen.
  • Auch die Vermittlung von Arztterminen soll effizienter werden. Dafür will Spahn die schon existierenden Termin-Service-Stellen weiterentwickeln.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Mit Zuckerbrot und Peitsche will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn nach eigenem Bekunden bewirken, dass Kassenpatienten in Zukunft schneller einen Facharzttermin bekommen. So zumindest erklärte der CDU-Politiker am Montag seinen Entwurf für ein "Gesetz für schnellere Termine und bessere Versorgung", der nun noch zwischen den Ressorts abgestimmt werden soll.

Der Peitschen-Teil des Entwurfs ist vor allem die Tatsache, dass niedergelassene Ärzte in Zukunft mindestens 25 Stunden in der Woche als Sprechstundenzeiten anbieten müssen - fünf mehr als bisher. Haus- und Kinderärzte, Augenärzte, Frauen- und Hals-Nasen-Ohrenärzte werden zudem verpflichtet, mindestens fünf Stunden in der Woche offene Sprechstunden anzubieten - für Patienten ohne Termin.

Der Zuckerbrot-Teil dagegen soll die "extra-budgetäre Vergütung" von ärztlichen Leistungen sein, die den Termin-Frust der Kassenpatienten mildern. Dahinter verbergen sich letztlich bessere Verdienstmöglichkeiten für kooperierende Ärzte: Eigentlich nämlich bekommen Ärzte ihre Leistungen von den Krankenkassen nur bis zu einer bestimmten Budgetgrenze voll vergütet. Ist das Quartals-Budget ausgeschöpft, verdienen sie mit allen weiteren Patienten letztlich deutlich weniger - dies ist mit ein Grund dafür, warum Facharzttermine am Quartalsende oft besonders schwer zu ergattern sind. Wer künftig aber Patienten annimmt, die über die Termin-Service-Stellen auf Terminsuche sind, bekommt das bezahlt, ohne dass es auf das Budget wirkt.

"Das ist ein Anreiz, zusätzliche Termine zu vergeben", sagte Spahn am Montag in Berlin. Gefördert werden sollen grob gesagt jene Ärzte, die viele Patienten übernehmen. Ebenfalls von dem geplanten Extrabudget profitieren werden Hausärzte, die ihren Patienten Facharzttermine vermitteln, sowie Ärzte, die neue Patienten in ihrer Praxis behandeln. Auch die Leistungen, die in den offenen Sprechstundenzeiten erbracht werden, belasten künftig nicht mehr das Budget, ebenso Notfälle während der Sprechstunde. Und: Auch mit Hausbesuchen und der "sprechenden Medizin" lässt sich künftig mehr verdienen.

Ganz grundsätzlich soll die Vermittlung von Arztterminen effizienter werden. Dafür will Spahn die schon existierenden Termin-Service-Stellen weiterentwickeln: Zum einen ist eine bundesweit einheitliche Telefonnummer geplant. Unter der Notdienstnummer 116 117 sollen gesetzlich Versicherten rund um die Uhr auch Termine bei Haus- oder Kinderärzten vermittelt werden, ebenso Notfallpatienten an passende Praxen. Geplant ist zudem, dass Termine in Zukunft nicht nur telefonisch, sondern auch online oder über eine App auf dem Handy vereinbart werden können.

Der Gesetzentwurf widmet sich auch dem Ärztemangel auf dem Land

Spahn sieht seinen Entwurf "ausdrücklich nicht als Misstrauensbeweis" gegenüber denjenigen Ärzten, die schon heute viel leisteten. Die wolle er vielmehr schützen vor jenen, die derzeit weniger täten. "Niemand ist gezwungen, Kassenarzt zu werden", sagte Spahn. Für den Zugang zu den gesetzlich Versicherten und den entsprechenden Abrechnungsmöglichkeiten müssten die Ärzte mit einer Kassenzulassung aber eben auch ein gewisses verpflichtendes Angebot erbringen.

Neben den zentralen Punkten rund um die Terminstellen der Kassenärztlichen Vereinigungen, die Mindestsprechstundenzeiten und die Extra-Vergütungen widmet sich der Entwurf noch mehreren Nebenbaustellen, die allerdings auch mit der Versorgung gesetzlich Versicherter zu tun haben. Eine ist der weitere Kampf gegen den Ärztemangel auf dem Land. Spahn plant unter anderem, dass die Zuschläge für Landärzte obligatorisch gezahlt werden müssen. Auch die Strukturfonds der Kassenärztlichen Vereinigungen, die der besseren Versorgung auf dem Land dienen, werden verpflichtend - und müssen aufgestockt werden. Im Gegenzug dürfen die Mittel flexibler verwendet werden.

In unterversorgten Gebieten muss die Selbstverwaltung der Kassenärzte zudem in Zukunft selbst dafür sorgen, Löcher zu stopfen - sei es über Patientenbusse, mobile oder eigene Praxen. Es heiße schließlich "Sicherstellungsauftrag", sagte Spahn mit Blick auf die Kassenärztlichen Vereinigungen; diese könnten "gerne kreativ werden". In Kraft treten sollen sämtliche Regelungen zum 1. April 2019. Gratis ist all das nicht zu haben. Die Mehrausgaben könnten insgesamt "ab dem Jahr 2019 jährlich einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag betragen", heißt es in dem Entwurf. Das Gesundheitsministerium rechnet mit gut 500 bis 600 Millionen Euro im Jahr aus den Beitragsmitteln der Krankenversicherten. Ab 2021 kommen weitere 570 Millionen Euro hinzu, für höhere Zuschüsse beim Zahnersatz, die ebenfalls zu dem Paket gehören.

Vom Koalitionspartner kam Lob. "Das ist ein Quantensprung für die Beseitigung der erheblichen Zwei-Klassen-Medizin beim Facharztbesuch", sagte der SPD-Gesundheitsexperte und Fraktionsvize Karl Lauterbach der Süddeutschen Zeitung. Die SPD habe in den Koalitionsverhandlungen auf Änderungen bestanden, während die Union jahrelang bestritten habe, dass es bei der Terminvergabe eine gravierende Ungleichbehandlung zwischen privat und gesetzlich Versicherten gebe. "Dass nun ausgerechnet der CDU-Minister Jens Spahn das umsetzen muss, ist ein großer Erfolg für die SPD." Er werde sich im parlamentarischen Verfahren dafür einsetzen, dass Geld wirklich auch nur für zusätzliche Erstkontakte mit neuen Patienten fließe.

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