Gesundheit - Dresden:Musik gegen den Krebs: Henry Schneider will das Leben feiern

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Henry Schneider. Foto: Jörg Schurig/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Dresden (dpa/sn) - Als der frühere Gewandhausbratscher Henry Schneider 2020 mit seinem Renteneintritt die Diagnose Krebs erhielt, bekam er von einem Arzt den Rat, künftig nur noch Dinge zu tun, die ihm Spaß machen. Deshalb hat er trotz OP und anstrengender Therapien weiter sein legendäres Festival "Stelzenfestspiele bei Reuth" im Grenzgebiet von Sachsen und Thüringen organisiert und auch anderswo Musik gemacht - selbst als Patient am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Dresden. Schneider spielte dort am Bett von Leidensgefährten und schöpfte daraus selber Kraft: "Ich bin wieder im Leben drin", lautet nun sein Fazit.

"Die Diagnose Krebs ändert das Leben von einem Schlag auf den anderen. Wir sind völlig hilflos, treiben wie ein kleines Schiff auf hoher See und wissen nicht, wohin die Reise geht", sagt Schneider im Trailer für sein neues Projekt. Am 7. Mai will er gemeinsam mit bewährten "Landmaschinenmusikern" aus Stelzen und neuen musikalischen Begleitern in der Comödie Dresden ein Benefizkonzert für das "Lotsenprogramm" des hiesigen Tumorzentrums geben. Die Lotsen sollen dabei helfen, Patienten in stürmischer Zeit einen ruhigen Hafen finden zu lassen. "Sie informieren, haben Zeit für ein persönliches Gespräch und können auf Wunsch zu Untersuchungen und Arztgesprächen begleiten", berichtete NCT-Sprecherin Anna Kraft.

Schneider hat bei seiner Therapie selbst eine Lotsin in Anspruch genommen. Als er vor vielen Monaten das Benefizkonzert plante, wusste er nicht, ob er es noch erleben würde. Im Herbst 2021 erlitt er einen Rückfall. Nun will der 66-Jährige den Auftritt unter das Motto "Das Leben ist schön" stellen. Das werde einem erst richtig klar, wenn es in Gefahr sei, sagte er am Donnerstag bei einer musikalischen Kostprobe im NCT: "Wir wollen das Leben feiern. Ich hoffe, dass wir mit dem Konzert vielen Menschen, die in ähnlicher Situation sind, Hoffnung geben können". Die Gesunden sollten daran erinnert werden, dass es jeden treffen könne.

Bisher wird das sogenannte Lotsenprogramm allein durch Spenden finanziert. Damit es weitergehen kann, wird jeder Euro gebraucht. Während es in der Pilotphase Erkrankten mit einem bestimmten Tumor diente, soll es fortan allen Krebspatienten offenstehen. Für ihn sei die Zeit im Krankenhaus auch eine Zeit des Innehaltens gewesen, sagt Schneider. "Sonst bin ich immer in Aktion, plötzlich hatte ich Zeit zum Zuhören." So sei die Idee entstanden, "die Klänge des Krankenhauses, die akustische Dimension einer Krebstherapie auf die Bühne zu bringen und in Musik zu verwandeln". Neben Hits von Barock bis Jazz sind auch Geräusche aus dem Klinikalltag zu vernehmen.

Das Publikum soll aber nicht nur seltene Klänge und Instrumente wie Schneiders Nyckelharpa und seine Singende Säge erleben, sondern zugleich einen Einblick in die Zukunft der Krebschirurgie erhalten.

Denn das NCT möchte bei der musikalischen Entdeckungsreise auch Kurs auf die aktuelle Forschung nehmen. So sollen die Gäste etwas über neue technische Möglichkeiten der Krebschirurgie erfahren - etwa den Einsatz künstlicher Intelligenz. "Die Entwicklungen sollen künftig auch Chirurginnen und Chirurgen dabei helfen, Tumoren noch präziser operieren zu können oder in telemedizinischen Anwendungen über weite Entfernungen zusammenzuarbeiten", sagte Stefanie Speidel, Leiterin einer Abteilung am NCT in Dresden.

Das Dresdner Benefizkonzert reiht sich ein in ein Konzertformat, das einst am NCT Heidelberg entwickelt wurde: "Takte gegen Krebs". Dabei wird der Zuhörer selbst zum Teil des Programmes. Mit seinem Ticket kauft er praktisch jene Takte, die dann im Konzert erklingen. Dresden ist neben Heidelberg der zweite Standort des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen. "Die Forschung ist im Turbo-Modus", sagt Schneider und hofft, dass auch er davon profitieren kann.

© dpa-infocom, dpa:220428-99-74117/6

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