Berlin (dpa/tmn) - Jedes Jahr im Herbst stellen sich viele Menschen die Frage: Soll ich mich gegen Grippe impfen lassen oder nicht?
Vergangenes Jahr war die Zahl der Grippe-Geimpften vergleichsweise hoch. Was auch daran lag, dass Experten aus Medizin und Politik dazu geraten hatten. So sollte die Anzahl der Krankenhausaufenthalte wegen Influenza gering gehalten werden, damit das durch die Corona-Pandemie stark belastete Gesundheitssystem nicht zusätzlich belastet wird.
Am Ende hatten die Influenza-Impfungen, sicher im Zusammenspiel mit den allgemeinen Hygiene-Regeln wie Abstand und Gesichtsmasken und den Corona-Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen, den erhofften Effekt: Es gab im vergangenen Winter keine Grippewelle.
Was heißt das für die kommende Influenza-Saison?
Wegen der Rückkehr zu mehr Normalität, unter anderem an Schulen und Kitas, beobachten Ärztinnen und Ärzte jetzt schon Nachholeffekte bei Atemwegserkrankungen. Wird es das auch bei der Influenza geben? Rollt die Grippewelle wieder - und diesmal besonders stark?
Fachleute halten das für möglich. „Eine Impfung gegen Grippe ist gerade auch in diesem Winter extrem wichtig, da ein hohes Risiko für eine starke Grippewelle zu erwarten ist“, sagte etwa die Vorsitzende des Hausärzteverbandes in Rheinland-Pfalz, Barbara Römer. Es lohnt also, sich mit einem möglichen Impfschutz auseinanderzusetzen.
Für wen ist die Impfung empfohlen?
Die Ständige Impfkommission (Stiko) am Robert Koch-Institut (RKI) empfiehlt sie unter anderem Menschen ab 60 Jahren, Schwangeren, Vorerkrankten und medizinischem Personal.
Für gesunde Unter-60-Jährige und Kinder gibt es keine explizite Empfehlung - die Stiko rät aber auch nicht davon ab.
Wenn die Impfung durch die Stiko empfohlen ist, übernehmen die Krankenkassen die Kosten in aller Regel. Sonst kommt es auf den jeweiligen Versicherer an, ob die Summe in Höhe von rund 30 bis 60 Euro übernommen wird. Viele Firmen bieten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kostenlose Impfungen an.
Neue Impfstoff-Empfehlung für Ältere
Damit Menschen ab 60 Jahren noch besser vor einer Infektion geschützt sind, empfiehlt die Stiko ihnen seit diesem Jahr die Impfung mit sogenannten Hochdosis-Impfstoffen.
Diese unterscheiden sich von den normalen Influenza-Impfstoffen entweder durch bestimmte Wirkverstärker oder eine höhere Menge von enthaltenen Antigenen. Sie haben laut RKI eine leicht höhere Wirksamkeit bei Älteren. Die Schutzimpfungs-Richtlinie, die grob gesagt regelt, welche Impfungen als Kassenleistungen gelten, wurde daran angepasst: Sie sieht bei Menschen ab 60 Jahren einen Hochdosis-Influenza-Impfstoff vor.
Altersmediziner bewerten die neue Richtlinie positiv. Die Deutsche Geriatrische Gesellschaft (DGG) begrüßt sie ausdrücklich. Denn die Älteren seien besonders gefährdet, eine Influenza-Infektion zu entwickeln. Und sie haben im Falle einer Infektion auch eine deutlich höhere Sterblichkeit. Zugleich sinke die Wirksamkeit der Impfung mit zunehmendem Alter.
Mögliche Nebenwirkungen der Impfung
Die Hochdosis-Impfstoffe können im Vergleich zum normalen Impfstoff allerdings etwas häufiger vor allem lokale Nebenwirkungen auslösen. Dazu gehören etwa Schmerzen an der Einstichstelle.
Auch bei den Standard-Influenza-Impfstoffen kann die Einstichstelle schmerzen, gerötet sein und etwas anschwellen. Manche fühlen sich im Anschluss kränklich - mit erhöhter Temperatur, Müdigkeit, Frösteln, Schwitzen, Kopf- und Gliederschmerzen.
Solche Beschwerden klingen laut RKI in der Regel nach ein bis zwei Tagen ab. Im Allgemeinen sei die Impfung gut verträglich.
Die Verfügbarkeit der Impfstoffe
Das RKI rechnet für diese Saison mit einem Bedarf von 8 bis 10 Millionen Dosen von Hochdosis-Impfstoffen und 15 bis 17 Millionen Dosen der Standard-Impfstoffe.
Die Verfügbarkeit der Hochdosis-Impfstoffe hänge von der Nachfrage in den kommenden Monaten ab, schreibt der Deutsche Apothekerverband auf Nachfrage. Sollte es hier Engpässe geben, können Ältere einen normalen Influenza-Impfstoff erhalten.
Der richtige Zeitpunkt
Gut terminiert ist die Impfung zwischen Mitte Oktober und Mitte Dezember. Das hat damit zu tun, dass die optimale Schutzwirkung rund zwei Wochen danach beginnt und nach drei Monaten langsam nachlässt. Die Grippewelle rollt meist vor allem zwischen Januar und März.
Da jede Saison andere Influenzaviren im Umlauf sind, wird auch der Impfstoff ständig daran angepasst. Auch deshalb sollte man sich jedes Jahr aufs Neue impfen lassen.
Die Frage der Wirksamkeit
Die Impfstoff-Zusammensetzung erfolgt auf Basis von Analysen weltweiter Labordaten. So wird versucht, eine möglichst hochwirksame Mischung zu finden - doch diese Vorhersage ist mit einer gewissen Unsicherheit verbunden.
In der Saison 2019/20 zum Beispiel hatte der Impfstoff in Deutschland Untersuchungen zufolge im Schnitt eine Wirksamkeit von 62 Prozent, zwei Jahre zuvor von 15 Prozent.
Was bedeutet eine Wirksamkeit von 62 Prozent? Wenn unter 100 Nicht-Geimpften zehn Personen an Grippe erkranken, wären es in diesem Beispiel unter 100 Geimpften im Vergleich nur rund vier Personen.
Bei 15 Prozent Wirksamkeit läge die Anzahl der erkrankten Personen unter den 100 Geimpften indes bei acht bis neun und wäre damit fast so hoch wie bei der ungeimpften Vergleichsgruppe.
Wie gut der Schutz durch die Impfung in der kommenden Saison sein wird, lässt sich noch nicht abschätzen. Das zeigt sich immer erst im Rückblick. Was sich festhalten lässt: Einen hundertprozentigen Schutz vor Ansteckung bietet eine Influenza-Impfung nicht.
Zumal der durch die Impfung entwickelte Schutz auch von vielen anderen Faktoren abhängt. Zum Beispiel, wie oft man schon geimpft wurde oder mit Grippe infiziert war und wie gut in Schuss das eigene Immunsystem generell ist.
Weniger Risiko für schwere Verläufe
Bei der Abwägung von Für und Wider einbeziehen sollte man auch die Tatsache, dass die Impfung das Risiko eines schweren Grippeverlaufs im Fall einer Ansteckung senkt. So wie es bei den Impfstoffen gegen Covid-19 der Fall ist.
Außerdem reduziert man durch die Influenza-Impfung auch das Risiko, andere Menschen anzustecken. Deshalb wird sie etwa Menschen empfohlen, die mit Risikopersonen zusammenleben.
Grippe kann eine schwere Lungenentzündung auslösen. „Das kann lebensgefährlich werden“, sagt Prof. Bernd Salzberger, Infektiologe am Uniklinikum Regensburg. Seltener kann sie zu Entzündungen am Herzen oder im Hirn führen.
Bei gesunden Kindern oder bei Erwachsenen unter 60 Jahren verläuft eine Grippe laut RKI in der Regel ohne schwerwiegende Komplikationen. Generell grippetypisch ist ein plötzliches, starkes Krankheitsgefühl mit Kopf- und Gliederschmerzen, hohem Fieber und trockenem Husten. Eine Grippe kann aber auch leicht bis unbemerkt vorübergehen.
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