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Gesundheit - Celle:Krematorien: In Würde den letzten Abschied nehmen

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Celle (dpa/lni) - Achtsam muss man sein, findet Thies Heinrich. Mit den Angehörigen, den Mitarbeitern - und mit den Verstorbenen. Der Betriebsleiter des Krematoriums Die Feuerbestattungen Celle beobachtet, wie eine Maschine einen Sarg anhebt. Das Ofenportal öffnet sich, Hitze aus der fast 800 Grad heißen Ofenkammer schlägt in den Raum. Langsam schiebt Kremationstechniker Benjamin Nuhn, ausgerüstet mit FFP2-Maske und Einmalhandschuhen, den Sarg in den Ofen. Das Portal schließt sich, das ist der endgültige Abschied - aber einer mit Würde.

Das ist nicht überall so. In der Pandemie stieg die Zahl der Corona-Toten - der Verstorbenen, wie man im Krematorium sagt -, die eingeäschert werden sollten. Das hatte mancherorts schlimme Folgen: Das kommunale Krematorium im sächsischen Corona-Hotspot Meißen kam mit der Einäscherung der Verstorbenen nicht mehr hinterher, stapelte Holzsärge eilig in Andachtsräumen übereinander. Angeliefert wurden die Toten teils nicht mehr mit dem Leichenwagen, sondern im Lastwagen. Dieser Umgang mit den Verstorbenen stößt in Celle, und nicht nur dort, auf Unverständnis.

Für die Überlastung hat Svend-Jörk Sobolewski, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft deutscher Krematorien, kein Verständnis, für den Umgang mit den Verstorbenen in Meißen erst recht nicht. Er betont: "Sachsen spiegelt nicht den Zustand deutscher Krematorien wider." Denn in vielen gebe es freie Kapazitäten, viele könnten einspringen. Sobolewski ist Geschäftsführer des Unternehmens Die Feuerbestattungen mit Krematorien in Celle, Hildesheim, Stade, Cuxhaven, Quedlinburg und Schwerin. Nach seiner Einschätzung ist es eines der größten Unternehmen dieser Art in Niedersachsen.

In Deutschland gebe es 162 Krematorien. Wenn pro Tag 1000 Menschen an oder mit Covid-19 sterben, sei das zwar schlimm. Aber für jedes Krematorium bedeute das gerade einmal sechs Verstorbene, rechnet Sobolewski vor: "Das kann für die Branche nicht das Aus bedeuten." Zumal die Pandemie nicht neu sei. Es sei Zeit genug gewesen, sich vorzubereiten und beispielsweise freie Kapazitäten zu suchen. Der Fachmann bietet Meißen Hilfe an: "Es kann nicht sein, dass so gearbeitet wird. Wir haben einen Auftrag, wir müssen etwas für die Menschen tun."

Doch auch in Celle steigt die Zahl der Menschen, die an oder mit dem Coronavirus sterben und dort eingeäschert werden. Seit November ist das spürbar. Im Dezember seien es 23 Verstorbene gewesen, im Januar bislang 12, sagt Heinrich. Im Gesamtjahr 2020 waren es 48. Sobolewski erklärt, an den sechs Standorten des Unternehmens seien im vergangenen Jahr 30 154 Verstorbene eingeäschert worden, 711 seien mit dem Corona-Virus infiziert gewesen. Das entspreche einem Anteil von 2,36 Prozent. Feuerbestattungen haben inzwischen bundesweit einen Anteil von 75 Prozent an allen Bestattungen.

Es sei durchaus denkbar, dass die Zahlen weiter steigen, sagt Heinrich. Es gibt einige Stellschrauben: Die Mitarbeiter könnten bei Bedarf ins Mehrschichtsystem wechseln, an Wochenenden arbeiten oder Kapazitäten anderer Krematorien nutzen. In Celle stapelten sich die Särge nicht, sagt der 31-Jährige. "Wir versuchen, gar nicht erst einen Stau entstehen zu lassen." Auch Hektik gebe es dort nicht, alles gehe gelassen zu.

Was geschieht eigentlich in einem Krematorium? Bei einem natürlichen Tod kommt ein Arzt für eine zweite Leichenschau. Ist das Coronavirus im Spiel, wird der Sarg gekennzeichnet. Der Verstorbene wird in einen Leichensack eingeschlagen, der Sarg desinfiziert und vor der Einäscherung in einem speziellen Kühlraum - oder Klimaraum, wie es im Jargon heißt - aufbewahrt. Schieben Mitarbeiter einen Sarg in diesen Klimaraum, tragen sie nicht nur eine Maske, sondern einen kompletten Schutzanzug und Handschuhe. Die Einäscherung selber dauert etwa zweieinhalb Stunden.

Was passiert, wenn auch im Raum Celle die Zahl der Infektionen mit dem Coronavirus und schließlich auch die Zahl der Toten steigen sollte? "Wir haben eine gewisse Sorge, ohne in Panik zu verfallen", sagt Heinrich. Zwar sei er kein Virologe, aber: "Es ist denkbar."

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