Herz-Kreislauf-Erkrankungen:Maximaler Blutdruck von 120 kann Leben retten

Ein Blutdruckwert von 140 galt bisher als sicher. Nun zeigt eine große US-Studie, dass ein niedrigerer Grenzwert bei Risikopatienten weit mehr Todesfälle verhindern kann.

Von Werner Bartens

Die Zahlen klingen eindrucksvoll: Fast ein Drittel weniger Infarkte und Schlaganfälle könnte es geben, ein Viertel weniger Todesfälle - allein durch eine strengere Therapie. Entsprechend selbstbewusst verkünden die Nationalen Gesundheitsinstitute (NIH) der USA, welchen Segen es bringen kann, den Bluthochdruck intensiver zu bekämpfen als bisher. "Das sind potenziell lebensrettende Informationen", sagt Gary Gibbons, Direktor der für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zuständigen Abteilung an den NIH, "ein Meilenstein".

Grund für die Euphorie in der obersten Gesundheitsbehörde der USA ist eine Untersuchung - die gerade abgebrochen wurde. Eigentlich war das Ende der 2009 begonnenen "Sprint-Studie" für 2017 geplant. 9300 Erwachsene mit erhöhtem Risiko für Herz-Kreislauf-Leiden nahmen teil, Mindestalter 50 Jahre. Bei einer Hälfte der Probanden wurde der obere Blutdruckwert auf unter 140 Millimeter auf der Quecksilbersäule gesenkt, wie es von den meisten Fachgesellschaften empfohlen wird. Bei der anderen Hälfte wurde der Druck sogar auf 120 mm Hg beschränkt, mit erstaunlich positiven Folgen für Herz und Hirn.

Mehr als 40 Prozent der Erwachsenen über 50 leiden an der Volkskrankheit Bluthochdruck. Mit der Studie sollte geklärt werden, welcher Wert das optimale Behandlungsziel wäre. "Bluthochdruck schädigt das Herz und kann zu Infarkt und Vorhofflimmern, aber auch Schlaganfall und Nierenfunktionsstörungen führen", sagt der Kardiologe Martin Halle, Chef der Sportmedizin an der TU München. "Bewahrheiten sich die Ergebnisse der Studie, ist das sehr bemerkenswert." Wer stark übergewichtig ist, sich kaum bewegt, raucht und erhöhte Blutfette hat, kann es auf einen gefährlich hohen Blutdruck von 170/100 bringen. Ausdauersport und Gewichtsabnahme verringern den Druck in den Adern um jeweils zehn mm Hg, den Rest müssen dann Medikamente regulieren.

Widerspruch zu den bisherigen Empfehlungen

"Man hat sich als Arzt und Patient sicher gefühlt, wenn der obere Blutdruckwert bei 140 eingestellt war", sagt Halle. "Das ist für Risikopatienten offenbar nicht ausreichend. Optimal scheint 120 zu sein." Irritiert sind Halle und andere Ärzte allerdings davon, dass die Zwischenauswertung, die zum Abbruch geführt hat, noch nicht veröffentlicht wurde. Deshalb lässt sich nicht genau nachvollziehen, wie viele Infarkte, Schlaganfälle und Todesfälle die strenge gegenüber der moderaten Blutdrucksenkung in absoluten Zahlen verhindert hat. "Die Ergebnisse sind neu und stehen im Widerspruch zu bisherigen Empfehlungen", sagt Gerd Antes vom Deutschen Cochrane-Zentrum, das die Qualität medizinischer Studien bewertet. Deshalb muss man erst genaue Daten kennen, bevor man Interpretationen wagt."

Wer einen leicht erhöhten Druck von 135/85 hat und ansonsten gesund ist, muss sich keine Sorgen machen. "Wir haben jedoch überzeugende Hinweise dafür, dass es Hochrisikopatienten nutzt, wenn ihre Behandlung auf einen niedrigeren Blutdruck abzielt", sagt Lawrence Fine von den US-Gesundheitsinstituten.

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