Gesundheit - Berlin:Impfbeginn: 101-Jährige freut sich über Spritze gegen Corona

Berlin
Die Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) hält Impfdosen von BioNTech. Foto: Nils Bornemann/Senatsverwaltung für Gesundheit/dpa (Foto: dpa)

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Berlin (dpa/bb) - Aufgeregt sei sie nur die vergangenen Tage gewesen, sagte Gertrud Haase. Am Sonntagmorgen habe sie sich eher überlegt, was sie anzieht, um ohne Probleme ihren Oberarm frei zu bekommen. Mit der gewählten Bluse habe das aber gut geklappt. Die 101 Jahre alte kleine Frau mit glatten weißen Haaren wurde als einer der ersten Menschen in Berlin gegen das Corona-Virus geimpft. Am Sonntag um 8.44 Uhr stach der Impfarzt ihr in einem Pflegeheim im Stadtteil Steglitz eine Nadel in den linken Oberarm. Dabei waren nicht nur das Impfteam, die Heimleitung und mehrere Journalisten, sondern auch Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD).

"Ich habe den Piks gar nicht gemerkt. Ganz toll", sagte Haase gut gelaunt, freundlich lächelnd und mit leiser Stimme eine halbe Stunde danach. Beschwerden habe sie nicht. Von der Notwendigkeit der Impfung sei sie überzeugt. Sie habe viel von Toten in anderen Heimen gelesen und gehört. "Es ist sehr gut, dass man jetzt dagegen geimpft wird. Das ist schon ein großer Vorteil für uns alte Leute hier." Die zweite Dosis des Impfstoffs soll sie im Januar bekommen.

Von den 97 Bewohnern des Pflegeheims Agaplesion Bethanien Sophienhaus würden 90 an diesem Sonntag und Montag geimpft, berichtete die Heimärztin Irmgard Landgraf. Sie habe mit sehr vielen Frauen und Männern gesprochen und sie vorbereitet. "Sie sind ganz stolz, dass sie die ersten sein dürfen und alle wissen auch zu schätzen, dass wir mit dieser Impfung jetzt einen zusätzlichen Schutz haben, vor allen Dingen vor schweren Krankheitsverläufen."

Für den Beginn des Impfens erhielt Berlin nach Angaben der Gesundheitsverwaltung zunächst 9750 Impfdosen. Der tiefgekühlte Stoff war erst am Samstag eingetroffen. Am frühen Sonntagmorgen holten zahlreiche mobile Impfteams aus Bundeswehrsoldaten und Ärzten Kisten mit Impfstoff ab und fuhren zu den Alten- und Pflegeheimen, deren insgesamt 29 000 Bewohner zuerst dran kommen. Sie gelten als besonders gefährdete Gruppe.

Pro Team und Tag sind 50 Impfungen geplant. Die Gesundheitssenatorin rechnete damit, dass die Impfungen für Bewohner in den Pflegeheimen bis Anfang Februar dauern werden. Verabreicht werden müssen jeweils zwei Dosen.

In Steglitz stand schon am frühen Morgen ein Mannschaftswagen der Polizei vor dem Heim. Das Impfteam kam gegen 7.45 Uhr in einem Transporter vorgefahren, ebenfalls von der Polizei begleitet. Bundeswehrsoldaten ließen sich im 2. Stock des Heims in einem vorbereiteten Saal in blaue Krankenhauskittel kleiden. Gestützt auf Rollatoren oder im Rollstuhl sitzend kamen die ersten drei Frauen zur Impfung, alle über 100 Jahre alt.

Eine Zugführerin einer Sanitätsstaffel der Bundeswehr, die zugleich Krankenschwester ist, bereitete den Impfstoff vor. Der Herzchirurg Fatmir Dalladaku, der sich als ehrenamtlicher Helfer freiwillig zur Unterstützung gemeldet hatte, setzte die Spritzen. "Es freut mich sehr, dass wir uns hier einbringen konnten an diesem historischen Tag. Die Impfung finde ich toll und wir ziehen das durch."

Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) zeigte sich "sehr erleichtert". Das mobile Impfteam, das zum ersten Mal im Einsatz war, habe "super funktioniert". Und sie sei froh, dass es "den ersten drei Impflingen gut geht". Kalayci appellierte an Ärzte, ihre Patienten in den Pflegeheimen gut auf das Impfen vorzubereiten und sie zu begleiten. "Meine Hoffnung ist, dass viele, viele Menschen sich impfen lassen. Denn dieser Impfstoff ist ein großes Glück in dieser schrecklichen Pandemie. Dass es überhaupt einen Impfstoff gibt in zehn Monaten, ist keine Selbstverständlichkeit."

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) sprach von einem "Licht am Ende des Tunnels nach diesem schweren Jahr der Corona-Pandemie".

Am Nachmittag wurde das erste von sechs Berliner Impfzentren in der Arena-Halle in Treptow eröffnet. Mitarbeiter aus Alten- und Pflegeheimen sowie Personal aus Krankenhäusern sollen dort die Spritze gegen das gefährliche Virus erhalten. Schon vor der Eröffnung hatten sich Dutzende Menschen in einer Schlange aufgestellt, ab 14.00 Uhr wurden sie eingelassen.

Dort, wo vor der Pandemie Konzerte über die Bühne gingen, wurden 80 Kabinen für das Impfen eingerichtet. Der DRK-Landesvorsitzende Mario Czaja sagte, in der Arena beginne man mit 800 bis 900 Impfungen pro Tag. Man könne aber später bis zu 5000 Menschen am Tag behandeln.

Die weiteren fünf Impfzentren sollen in Betrieb genommen werden, wenn es genug Nachschub an Impfstoff gibt. Am Montag sollten weitere knapp 20 000 Dosen ankommen, am Mittwoch dann erneut knapp 30 000 Einheiten. Mit Beginn des neuen Jahres werden dann wöchentliche Lieferungen von knapp 30 000 Impfdosen erwartet. Pro Person werden zwei Dosen gebraucht. Wer jetzt geimpft wird, bekommt im Januar die zweite Spritze.

Als nächste Impfgruppe sind Menschen im Alter von mehr als 80 Jahren, die nicht in Heimen leben, dran. Das sind etwa 200 000. Danach die Über-70-Jährigen.

In Halberstadt in Sachsen-Anhalt hatte eine ebenfalls 101-jährige Frau bereits am Samstag die Impfung bekommen und damit die Terminpläne der Politik durchkreuzt. Der Landkreis Harz und das Heim wollten nicht warten und legten vor dem angekündigten bundesweiten Impfstart am Sonntag los.

In Berlin sind laut Gesundheitsverwaltung bis Sonntag bereits 1149 Menschen im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben. Die Zahl der Infizierten wurde mit 93 807 angegeben. 72 869 Menschen gelten demnach als genesen.

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