Gesundheit:Alt werden, dank Geld und Bildung

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Gesund im Alter: Eine Frage des Einkommens und der sozialen Schicht. (Foto: Arno Burgi/dpa)
  • Forscher haben untersucht, wie stark sich soziale Faktoren auf Gesundheit und Lebenserwartung auswirken.
  • Die Studie zeigt, dass die Bewohner der ärmsten Regionen in den USA im Durchschnitt 20 Jahre früher sterben als jene in den Speckgürteln des Landes.
  • "Die Ungleichheit in der Lebenserwartung ist in den vergangenen 35 Jahren weiter gestiegen", schreiben die Autoren der Studie.

Von Werner Bartens

Auf den ersten Blick haben Pirmasens und South Dakota wenig gemeinsam. Die Stadt im Westen grenzt an den Pfälzer Wald, der US-Bundesstaat ist geprägt von der Prärie. Beide Regionen gehören jedoch zu den Schlusslichtern, was die Lebenserwartung in ihren Ländern angeht.

Gemeinsam haben sie zudem Mängel in der Infrastruktur. Diese Schwierigkeiten teilen sie in Deutschland mit dem oberfränkischen Hof, dem thüringischen Suhl und weiteren Gemeinden im Ruhrgebiet sowie in Ostdeutschland.

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Wissenschaftler können noch so viele medizinische Risikofaktoren identifizieren und Erbanlagen untersuchen. Ob jemand krank wird und früher stirbt, hängt vor allem von Einkommen, Bildungsstand und der gesellschaftlichen Schicht ab. Im Fachmagazin JAMA Internal Medicine wird nun auf drastische Weise verdeutlicht, wie stark sich der soziale Faktor auf Gesundheit und Lebenserwartung auswirkt. Ärzte der University of Washington in Seattle zeigen, dass die Bewohner der ärmsten Regionen in den USA im Durchschnitt 20 Jahre früher sterben als jene in den Speckgürteln des Landes.

"Weil du arm bist, musst du früher sterben"

"Die Ungleichheit in der Lebenserwartung ist in den vergangenen 35 Jahren weiter gestiegen", warnen die Autoren um Laura Dwyer-Lindgren. "Das Ausmaß der Unterschiede erfordert, dass dringend etwas passiert. Setzt sich der Trend fort, klafft die Schere zwischen Arm und Reich und zwischen den Kranken und Gesunden immer weiter auseinander." Mit dem Ende von Obamacare droht sich die Entwicklung zu verschärfen. Millionen Menschen werden sich dann keine medizinische Behandlung mehr leisten können.

Zwar ist die Lebenserwartung in den USA seit 1980 von 73,8 auf 79,1 Jahre gestiegen. Doch in einzelnen Landstrichen Nord- und Süddakotas, dort besonders in Indianerreservaten, aber auch in Mississippi, Kentucky oder West Virginia werden die Menschen im Mittel gerade mal 66 bis 68 Jahre alt. Entlang der Küste Kaliforniens, rund um Metropolen der Ostküste wie New York, Boston und Washington, aber auch in Zentren Floridas und Colorados liegt die Lebenserwartung hingegen bei 82 bis 85 Jahren.

In Deutschland leben Bewohner der Landkreise Starnberg, Hochtaunus, rund um München, am Bodensee und im Raum Freiburg mit fast 84 Jahren am längsten. Sie sterben fast acht Jahre später als die Menschen in sozioökonomisch schwachen Gebieten. Das liegt nicht etwa daran, dass sie gesündere Gene hätten. Vielmehr wird in diesen Regionen das höchste Durchschnittseinkommen der Republik erzielt, die Menschen haben Geld und Ausbildung, um sich gesundheitsbewusster zu verhalten und den Freizeitwert ihrer Wohnorte zu genießen.

Schon länger ist bekannt, dass ein Mann aus der untersten Schicht in Deutschland damit rechnen muss, elf bis 15 Jahre eher zu sterben als ein Gleichaltriger mit hohem Einkommen und Bildungsgrad. Die Politik nimmt sich des Themas kaum an. In der Medizin fristet die soziale Frage ein Schattendasein, stattdessen werden Hightech-Zentren und molekulare Forschung gefördert. Es gilt, was der Klinikberater Christoph Lohfert in seinem Buchtitel auf den Punkt gebracht hat: "Weil du arm bist, musst du früher sterben."

© SZ vom 09.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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