Geschlechtskrankheiten wieder auf dem Vormarsch:"Viele sehen für sich keine Gefahren mehr"

Lesezeit: 2 min

HIV ist heute besser behandelbar - an sich eine gute Nachricht. Doch damit sinkt auch das Risikobewusstsein unter Jugendlichen. Geschlechtskrankheiten wie Syphilis nehmen wieder zu, warnt Experte Thomas Ruzicka im Interview.

Von Berit Uhlmann

Geschlechtskrankheiten sind wieder auf dem Vormarsch: Während etwa im Jahr 2000 noch weniger als 2000 Syphilis-Ansteckungen gemeldet wurden, hat sich deren Zahl im Jahr 2012 mit 4400 Meldungen mehr als verdoppelt. Ähnlich sieht es mit Chlamydien und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten aus. Thomas Ruzicka ist Direktor der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie der Ludwig-Maximilians-Universität München. Im Gespräch mit der SZ macht er vor allem ein verändertes Risikobewusstsein für die Entwicklung verantwortlich.

SZ: Warum nehmen Geschlechtskrankheiten zu?

Ruzicka: Die besseren Behandlungsmöglichkeiten einer HIV-Infektion haben die Ängste reduziert. Dadurch sehen viele Menschen für sich keine Gefahren mehr. Dies hat Auswirkungen auf das Schutzverhalten. Kondome schützen eben nicht nur vor einer HIV-Infektion, sondern auch vor anderen sexuell übertragbaren Krankheiten. Viele Menschen wissen darüber kaum etwas. Vor ein paar Jahren dachten viele, dass die Syphilis nicht mehr existiert. Dieses Unwissen hat den erneuten Siegeszug der Syphilis sicher begünstigt.

Dabei sind wir heute so aufgeklärt wie nie . . .

Natürlich kann sich ein interessierter Mensch heute sehr gut über sexuell übertragbare Infektionen informieren. Doch nur wenige Menschen sehen für sich ein Risiko, da sie nicht genug über die Häufigkeit der Erkrankungen wissen. Hier wäre Aufklärung nicht nur im Elternhaus, sondern auch an den Schulen extrem wichtig.

Gehen Betroffene heute bereitwilliger zum Arzt?

Über Erkrankungen im Intimbereich zu sprechen, fällt auch heute noch vielen Patienten nicht leicht. Diese Region ist immer noch mit Scham verbunden. Da haben auch Ärzte ihre Probleme, richtig zu reagieren. Je einfühlsamer ein Arzt hierbei ist, desto leichter wird es für den Patienten. Leider wissen viele Betroffene nicht, dass ihr Hautarzt der Experte für sexuell übertragbare Infektionen ist. Früher hießen die Geschlechtskrankheiten venerische Erkrankungen. Einige niedergelassene Hautärzte haben auf ihrem Praxisschild heute noch den Titel "Facharzt für Dermatologie und Venerologie" stehen. Da sollten wir Dermatologen deutlicher werden.

Auf welche Warnzeichen sollten sexuell aktive Menschen achten?

Warnsignale wären ein Brennen oder Schmerzen beim Wasserlassen, ein Ausfluss aus der Harnröhre, Hautveränderungen am Penis, der Vulva oder im Analbereich. Ein wichtiges Warnsignal stellt auch eine Lymphknotenschwellung in der Leistenbeuge dar. Je nach Infektion können diese Veränderungen schon nach ein paar Tagen, manchmal aber auch erst nach ein, zwei oder drei Wochen auftreten. Bei Menschen, die im Laufe eines Jahres viele sexuelle Kontakte mit unterschiedlichen Partnern haben, empfehlen wir eine jährliche Testung zum Beispiel auf Syphilis.

Wie schützt man sich am sichersten?

Der beste Schutz ist sicherlich eine treue Beziehung. Ansonsten sind Kondome und regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen wichtig. Viele Infektionen sind sehr gut therapierbar. Wer behandelt ist, steckt niemanden mehr an. Daher ist es auch besonders wichtig, immer wieder auf die Impfmöglichkeit bei Hepatitis A+B hinzuweisen. Genauso wichtig ist die Impfung gegen HPV, die Gebärmutterhalskrebs auslösen können.

Einige Erreger sind gegen Antibiotika resistent. Wie groß ist das Problem ?

Die Antibiotikaresistenz von sexuell übertragbaren Erregern ist momentan in Deutschland noch nicht das Problem, eher in Südostasien. Aber wir leben in einer globalen Welt. Deutsche reisen in südostasiatische Länder und haben dort sexuelle Kontakte. Solche Patienten können uns vor schwierige, aber momentan noch lösbare Aufgaben stellen. Hier zeichnet sich für die Zukunft ein erhebliches Problem ab.

© SZ vom 12.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: