Geschichte der Implantate:Gewagte Einsätze

Zähne aus Muscheln, Gelenke aus Elfenbein, Herzschrittmacher, die nur wenige Stunden lang funktionieren: Seit Jahrhunderten experimentieren Menschen mit künstlichen Körperteilen.

Von Berit Uhlmann

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Dental Clinic Implaneo

Quelle: Sonja Marzoner

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Fast eine Million Implantate setzen Zahnärzte jedes Jahr in die Kiefer der Deutschen ein; Hunderttausende Kunstgelenke implantieren Orthopäden jährlich. Dieses Ausmaß ist neu, die Idee dahinter ist es mitnichten. Menschen versuchen seit Jahrhunderten, kranke Körperteile durch künstliche Nachbildungen zu ersetzen.

Funde aus der Maya-Kultur belegen, dass man bereits um 600 nach Christus Muschelstückchen in Kiefer einpflanzte. Zwischen 1500 und 1800 war es üblich, menschliche Zähne zu übertragen. Die begehrten Prothesen lieferten Verstorbene ebenso wie lebende Spender. Die Geburtsstunde der modernen Zahnimplantate schlug um 1930, als Mediziner begannen, künstliche Zähne mit Metallschrauben im Knochen zu fixieren. Heute wird für diese Verankerung meist Titan verwendet. Es ist gut verträglich; die Knochenzellen können an der Oberfläche anwachsen und den Fremdkörper auf diese Weise fest integrieren.

Hüftgelenk-Prothese

Quelle: Science/AAAS

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Abenteuerlicher erscheinen die ersten Versuche, schmerzende Gelenke zu erneuern. Wo Knorpel verloren gegangen war, fügten Chirurgen Fettgewebe, Muskeln, Gummi, Wachs, Zelluloid oder sogar Schweineblasen zwischen die Gelenkoberflächen. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts experimentierten sie mit Vollprothesen. Der deutsche Chirurg Themistocles Gluck baute Hüften, Knie, Handgelenke und Ellenbogen - allesamt aus Elfenbein - in die Körper seiner Patienten ein. Das Material erwies sich allerdings als zu weich. Auch Gummi und Acryl, die Mediziner in den folgenden Jahrzehnten für den Bau von Gelenkprothesen erprobten, fehlte es an Stabilität. Heute bestehen Kunstgelenke in der Regel aus Metall, Keramik und dem Kunststoff Polyethylen.

Taub sein und doch hören - Mini-Implantat hilft

Quelle: dpa/dpaweb

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"Elektrische Ohren stellen das Gehör wieder her", titelte die New York Times über eine medizinische Erfindung: 1957 hatten französische Ärzte einem Gehörlosen erstmals eine frühe Form des Cochlea-Implantats eingesetzt. Das Gerät produziere "einfache Hörempfindungen auf der Basis von Rhythmen und Sprachmustern", berichtete die Fachzeitschrift Jama. Es dauerte jedoch noch bis Mitte der 1980er-Jahre, bis die Hörprothesen so weit entwickelt waren, dass sie auf breiter Basis angewendet werden konnten.

Im Bild: Beim Cochlea-Implantat wird ein Teil über und ein anderer unter der Kopfhaut platziert.

Erster Herzschrittmacher-Patient gestorben

Quelle: DPA/DPAWEB

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Auch dies war ein Meilenstein der Medizin: 1958 entschloss sich der Schwede Arne Larsson (im Bild) zu einer gewagten Operation. Das Herz des 43-Jährigen schlug damals so langsam, dass er bis zu 30 Mal am Tag das Bewusstsein verlor und wiederbelebt werden musste. Seine Frau drängte den Arzt Åke Senning, einen Schrittmacher einzusetzen. Der Apparat war bis dahin nur an Tieren erprobt worden und nicht wirklich ausgereift. Er stellte nach nur drei Stunden seine Funktion ein. Ein zweites Implantat begann nach acht Tagen zu schwächeln, blieb aber insgesamt drei Jahre lang in der Brust des Patienten. Der Schwede soll insgesamt 26 verschiedene Schrittmacher getragen haben. Er wurde 86 Jahre alt.

© SZ vom 10.03.2016
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