Geburtsmedizin:Schicksalsfaden

Wenn sich der Muttermund einer Schwangeren vorzeitig öffnet, soll ein chirurgischer Verschluss die Frühgeburt verhindern. Jetzt zeigt sich: Etwas Simples wie die Wahl des Fadens kann über den Erfolg entscheiden.

Von Kathrin Zinkant

Es ist eigentlich ein gutes Zeichen: Wenn sich der Muttermund einer Schwangeren verkürzt und öffnet, kündigt sich die Geburt des Babys an. Doch nicht immer kommt das Signal zum richtigen Zeitpunkt. Bei manchen Frauen öffnet sich der Muttermund schon viele Wochen vor dem errechneten Termin. Damit es dann nicht zu einer verfrühten Geburt kommt, wird der Muttermund mit einem Faden oft einfach wieder zugenäht.

Zwei Millionen Frauen weltweit erhalten jährlich eine solche Cerclage. Und wie ein Team von britischen Geburtsmedizinern jetzt in Science Translational Medicine berichtet, kann die Wahl des Nahtfadens dabei schicksalsentscheidend sein. Mit sogenannten monofilen Fäden, die aus einem Einzelfaden bestehen, sinkt die Gefahr einer frühzeitigen oder Fehlgeburt demnach um jeweils zehn Prozent gegenüber einer Naht, die mit geflochtenen Fäden gesetzt wurde.

Auf den geflochtenen Fäden siedelten sich vermehrt krankmachende Bakterien an

Den ersten Beleg für die Bedeutung des Nahtmaterials hatten die Gynäkologen durch eine rückblickende Analyse von fast 700 Cerclagen gefunden. Die Eingriffe waren zur Hälfte mit einem Einzel- und zur Hälfte mit einem Flechtfaden durchgeführt worden. Mit dem Flechtfaden hatte es fast bei jeder zweiten Frau schwere Komplikationen gegeben: 15 Prozent der Schwangerschaften endeten mit einer Fehl- oder Totgeburt. In 28 Prozent der Fälle wurde das Baby trotz des Eingriffs zu früh geboren. Cerclagen mit einem einfachen Faden dagegen hatten in vier von fünf Fällen mit einer termingerechten Geburt geendet.

Um den Ursachen dieser Diskrepanz auf die Spur zu kommen, griffen die Mediziner schließlich selbst zur Nadel. 24 Schwangere bekamen eine Cerclage mit dem monofilen, 25 mit dem geflochtenen Faden. Danach untersuchten die Ärzte, wie sich die bakterielle Mikroflora in der Vagina der Frauen veränderte - und fanden heraus, dass auf den geflochtenen Fäden vermehrt krank machende Keime siedelten.

Infektionen sind ein wichtiger Co-Faktor von Frühgeburten, sie werden bei Geburten vor der 28. Schwangerschaftswoche oft beobachtet und sind einer der gewichtigsten Gründe für einen teilweisen oder vollständigen, operativen Verschluss des Muttermunds. Eine vorzeitige Öffnung begünstigt den Aufstieg von Bakterien in die Gebärmutter. Dort können sie zu einer Entzündung der Fruchtblase führen.

In Deutschland wurden 2014 insgesamt 4250 Cerclagen oder Verschlüsse per Naht vorgenommen. Welche Fäden die Ärzte verwendeten, ist unbekannt. Doch die Resultate der Studie beeindrucken auch hiesige Experten. "So etwas scheinbar Simples wie das Nahtmaterial spielt offenbar eine wesentliche Rolle für den Erfolg einer Cerclage", sagt Ekkehard Schleußner vom Universitätsklinikum in Jena.

Der Gynäkologe ist sich aber nicht sicher, ob die entdeckten Keime bereits alles erklären. "Ich wäre vorsichtig zu behaupten, dass man mit dem Wissen um das vaginale Mikrobiom bereits den Schlüssel für den Erfolg bei der Verhinderung einer Frühgeburt hat", sagt Schleußner. Man müsse erst einmal lernen, welche klinische Bedeutung die Bakterienarten in diesem Zusammenhang haben. Außerdem sei die Studie mit 49 Teilnehmerinnen sehr klein. Der Arzt begrüßt daher, dass die britischen Kollegen in Birmingham bereits eine größere Studie mit 600 Frauen planen.

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