Geburtsgröße:Das neue Standardbaby

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Neben der Länge vermessen Ärzte auch den Kopfumfang von Säuglingen regelmäßig. (Foto: Nico/flickr/cc-by-nd-2.0)

Wie groß sollte ein Neugeborenes sein? Erstmals haben Wissenschaftler international einheitliche Standards entwickelt. Denn bei guter Versorgung haben Säuglinge überall auf der Welt die gleichen Maße.

Von Katrin Collmar

Ob in Brasilien, Italien oder China: Gesunde, wohlernährte Mütter bringen unabhängig von ihrer Herkunft und Größe annähernd gleich große Säuglinge zur Welt. Zu diesem Schluss kommen die Entwickler einer neuen Wachstumstabelle für Föten und Neugeborene. Durchschnittlich 3,3 Kilogramm schwer und 49,4 Zentimeter lang ist demnach ein normal entwickeltes Neugeborenes. Der Kopfumfang beträgt 33,9 Zentimeter.

Die neuen internationalen Standards für das Wachstum von Ungeborenen sowie für die Größe und das Gewicht Neugeborener haben die Wissenschaftler im Fachjournal The Lancet veröffentlicht. Sie hoffen, dass damit in Zukunft 13 Millionen mehr unterernährte Neugeborene erkannt und behandelt werden können. "Wir hoffen, dass die Anwendung weltweit die Säuglingssterblichkeit verringert", sagt Professor Zulfiqar Bhutt von der Aga Khan Universität in Pakistan, der an dem Projekt beteiligt war.

Die Mediziner sammelten im Rahmen des INTERGROWTH-21st-Projekts innerhalb von sechs Jahren Daten von fast 25 000 gesunden Müttern und deren Kindern. Sie untersuchten Schwangere und Babys in Brasilien, China, Indien, Italien, Kenia, Oman, Großbritannien und USA. Ab der 14. Schwangerschaftswoche wurden regelmäßig die Föten im Mutterleib bei Ultraschalluntersuchungen vermessen. Außerdem hat das Team Größe und Gewicht von 20 000 Neugeborenen ermittelt. Trotz der geographischen Unterschiede zeigte sich: Föten und Neugeborene entwickeln sich unter ähnlichen Bedingungen gleich, egal wo auf der Erde.

Viele unterernährte Neugeborene in Entwicklungsländern könnten gerettet werden

"Gerade in der zweiten Schwangerschaftshälfte sind es nicht die Gene, die über normales Wachstum im Mutterleib entscheiden", bestätigt Jörg Angresius, der in der Arbeitsgruppe Schwangerschaft des Berufsverbandes der Frauenärzte mitarbeitet. Vielmehr sei die Ernährung der Frau entscheidend.

Bisher bewerten Ärzte die frühe Kindsentwicklung weltweit mit über 100 verschiedenen Tabellen. Für die Industrienationen seien die neuen Standards weniger von Bedeutung, sagt Angresius. "Doch in Entwicklungsländern können die Ärzte damit möglicherweise untergewichtige Neugeborene zuverlässiger erkennen." Denn die lokalen Tabellen können Fehler bergen; sie beruhen auf dem, was vor Ort als normal gilt und in einem indischen Slum sind nun mal viele Säuglinge unterernährt. Orientieren sich Ärzte an diesen Werten, kann das tödlich sein. Denn unterernährte Neugeborene sterben ohne medizinische Behandlung häufig früh, die Überlebenden tragen oft gesundheitliche Folgen davon.

Auch ein zu hohes Geburtsgewicht ist problematisch

Als untergewichtig gelten Neugeborene, die weniger als 2,5 Kilogramm wiegen. Weltweit sind das etwa 15 Prozent, also 20 Millionen Neugeborene im Jahr, schreibt UNICEF. Doch ein großer Teil der unterernährten Babys wird trotz neuer Standards wohl unentdeckt bleiben. Denn laut der UN-Organisation wird die Hälfte der neuen Erdenbürger überhaupt nicht gewogen.

Deutsche Babys sind dagegen gut versorgt. Jeder Frau hierzulande steht eine umfangreiche Schwangerschaftsvorsorge zu, die von 98 Prozent in Anspruch genommen wird. Der Arzt misst die Länge, den Schädeldurchmesser und den Bauchdurchmesser des Fötus. Gesammelt werden die Daten im Mutterpass.

Doch ein Fötus kann im Mutterleib auch überversorgt sein. Mehr als ein Drittel der Neugeborenen in Deutschland ist mit 4 Kilogramm oder mehr übergewichtig - auch eine Folge falscher Ernährung. Ein zu hohes Geburtsgewicht führt später häufig zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Krebs, geringer Stressresistenz und Übergewicht. Welche Gewichtszunahme tatsächlich gesund ist, richtet sich nach den Kilos vor der Schwangerschaft. Eine untergewichtige Frau sollte mehr zunehmen, eine übergewichtige dagegen weniger.

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