Medizinische Forschung:Ein Lob der schlechten Nachricht

Bluttest-Affäre - CDU fordert von Uniklinik mehr Transparenz

Nicht jedes Forschungsprojekt führt zum Erfolg.

(Foto: dpa)

Neben allen Jubelmeldungen der Medizin sollten Forscher auch öffentlich machen, wenn ein Therapieansatz nicht funktioniert - im Sinne der Patienten.

Kommentar von Werner Bartens

Es nervt. Wer nicht chronisch schlafwandelnd durch die Welt stolpert, kann sich der ständigen Superlative und Erfolgsmeldungen aus der Medizin kaum erwehren. Eine Weltsensation hier, ein Durchbruch da - und Obacht, ist dort nicht schon der nächste epochale Sprung in der Therapie in Sicht? Und lassen sich die Blitzheilung oder wenigstens die baldige klinische Anwendung partout nicht herbeiübertreiben, muss es mindestens ein Meilenstein für die spätere Behandlung von Krebs, Alzheimer oder Parkinson sein. Darunter geht es nicht.

Doch, darunter ginge es schon. Denn dass eine in der Theorie vielversprechende Behandlung doch nicht den erwünschten Therapieerfolg bringt oder mit heftigen Nebenwirkungen einhergeht, ist eine genauso wichtige Nachricht für Patienten wie die Jubelmeldung über ein neues Verfahren, das geglückt ist. Zur klinischen Forschung gehören viele Sackgassen und vergebliche Untersuchungen, sie unterliegt dem Prinzip Versuch und Irrtum.

"Herr Kästner, wo bleibt das Positive"

Da wäre es nur fair und überdies wissenschaftlich redlich, auch von den enttäuschten Hoffnungen und fehlgeschlagenen Ansätzen zu berichten. Aus ärztlicher Sicht ist es sogar ethisch geboten, um nicht falsche Erwartungen bei Patienten zu wecken oder sie einer neuen Therapie auszusetzen, die anderswo längst still und heimlich beerdigt wurde, weil sie nichts gebracht hat.

"Herr Kästner, wo bleibt das Positive", wurde der Dichter immer wieder gefragt. "Ich werde nicht schwindeln. Die Zeit ist schwarz, ich mach euch nichts weis", entgegnete er 1930 in politisch unruhigen Zeiten. "Herr Doktor, wo bleibt das Negative", müsste heute die drängende Frage an Ärzte und klinische Forscher lauten. Wo ist nach den vielen euphorischen Ankündigungen und großen Versprechungen das Eingeständnis, dass - leider, leider - doch nichts aus der bahnbrechenden Therapie geworden ist? Es ist wie beim Skat: Lass sehen! Wo ist der Beweis, und wenn es ein negativer ist?

Nur 48 Prozent aller begonnenen klinischen Studien werden später auch veröffentlicht. Eine erschreckende Zahl, die zeigt, dass die Hälfte von dem in der Schublade verschwindet, was zur besseren Versorgung der Menschen aufwendig untersucht und getestet wurde. Die Gründe mögen vielfältig sein. Mal "passten" die Ergebnisse nicht, mal war die Enttäuschung zu groß, dass sich der erwartete Knaller nur als heiße Luft entpuppte. Aus menschlicher Sicht ist das verständlich, aus Sicht der Patienten braucht es dringend das Lob der schlechten Nachricht. Dann wissen andere Ärzte: Hat nicht geklappt, brauchen wir gar nicht erst versuchen. Also bitte mehr negative Botschaften aus der Medizin - zum Wohle der Patienten. Über die wirklichen Erfolgsmeldungen freut man sich dann umso mehr.

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