Wahrscheinlich ist all den Reisenden, die gerade jetzt wieder ihr überbordendes Handgepäck zusammenraffen und aus den Urlaubsfliegern strömen, gar nicht bewusst, was sie alles in der Kabine zurücklassen: unzählige Mikroben, eingeschleppt mit dem Staub der Wanderschuhe und Rollkoffer. Keime, in die Kabine geschleudert durch Niesen, Husten oder Spucken. Krankheitserreger, abgestreift von Händen, die man in der schwankenden Enge des Flugzeug-WCs gar nicht so oft waschen kann, wie man möchte, wenn man sich erst mal diese Frage stellt: Was klebt alles in dem Schmelztiegel Passagierflugzeug?
Wissenschaftler aus Jena haben nun in der Forschungsliteratur nach Antworten gesucht. Die grundsätzliche Erkenntnis lautet: Im Flieger kann man auf Krankheitserreger treffen - selbst auf solche, die Reisende Tage zuvor hinterlassen haben. So wurden in einer Studie auf fast 70 Prozent der Sitztaschen Grippeviren gefunden; einige haben dort drei Tage lang überlebt. Eine andere Untersuchung ergab, dass Ehec-Keime, die Durchfälle verursachen können, vier Tage auf Armlehnen und drei Tage auf Klapptischen überdauern. Antibiotika-resistente Staphylokokken hafteten bis zu acht Tage lang an verschiedenen Stellen im Flugzeug.
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Auf fast 70 Prozent der Sitztaschen fanden die Forscher Grippeerreger
Poröse Oberflächen, die weniger gut zu reinigen sind, besiedeln Mikroorganismen besonders erfolgreich, stellen die Materialforscher in ihrer Arbeit im Fachjournal Travel Medicine und Infectious Disease fest. Somit sind textile Bezüge vermutlich stärker mit Mikroben kontaminiert als Sitze, die mit Kunstleder bespannt sind. Besonders betagte Maschinen sind auch aus mikrobiologischen Gründen nicht zu empfehlen. Ganz abgesehen vom Vertrauensverlust, der sich einstellt, wenn Klapptische oder Fensterblenden tiefe Schrammen und Bruchstellen aufweisen - in den Vertiefungen können sich Keime vermehren, die beim Reinigen nicht mehr entfernt werden können.
Doch letztlich haben Passagiere auf den Zustand der Kabine kaum Einfluss. Aktiv minimieren können sie die Infektionsgefahr am ehesten noch durch die Platzwahl. Glaubt man Simulationsstudien, haben Sitze am Gang das größte Risiko, kontaminiert zu sein. Verantwortlich ist höchstwahrscheinlich die lästige Angewohnheit vieler Reisender, sich auf ihrem Weg durch den Gang rechts und links an den Rückenlehnen abzustützen und dabei eine Keimspur zu hinterlassen.
Ist das alles nun schlimm? Das können auch die Forscher nicht beantworten "Wir waren überrascht, wie relativ wenige zuverlässige Daten über die Anzahl von Mikroben auf Innenoberflächen von Verkehrsflugzeugmaterialien verfügbar sind", sagt Studienautor Klaus Jandt von der Universität Jena. Er und seine Kollegen fanden lediglich 15 Studien zum Thema, obwohl immer mehr Menschen auf immer engerem Raum an immer mehr Orte fliegen. Allein im vergangenen Jahr waren 4,1 Milliarden Passagiere mit dem Flugzeug unterwegs.
Wegen der fehlenden Studien gibt es auch keine allgemeingültigen Regeln für die hygienische Ausstattung der Kabinen. Nicht einmal eine so simple Frage wie die optimale Nutzung von Desinfektionsmitteln lässt sich wissenschaftlich fundiert beantworten. Denn viele scharfe Mittel, welche die Keime zuverlässig abtöten, greifen gleichzeitig die Oberflächen an und hinterlassen jene Kratzer, in denen sich Mikroben anschließend besonders gut vermehren können. Zudem gibt es selbst im überschaubaren Innenraum des Flugzeugs noch unerforschte Gebiete. Welche Mikroben zum Beispiel die Essenswagen bei der Tour durch den Gang aufnehmen und an Passagiere weitergeben, ist unbekannt. Ebenso wenig weiß man über den hygienischen Zustand der Touchscreens in Langstreckenfliegern, die ja permanent berührt werden.
Besonders leicht stecken sich die Fluggäste während des Boardings an
Erstaunlich dünn ist auch die Forschung über die Ansteckungsgefahr durch Mitreisende. Als gefährliche Zone werden in der Regel die zwei Reihen vor und hinter einem Infizierten betrachtet. Allerdings werden in den meisten Studien die Bewegungen der Passagiere nicht berücksichtigt. Im vergangenen Jahr hat eine Simulation ergeben, dass sich Reisende speziell beim Einsteigen so nahe kommen, dass sie sich leicht gegenseitig anstecken. Das galt vor allem für das gängige Gruppen-Boarding, bei dem die Fluggäste in nur einem Teil des Fliegers eng gedrängt warten, bis sie sich endlich in ihre Sitzreihe einfädeln können.
So bleibt vorerst nur der Rat, nach Möglichkeit Abstand und Ruhe zu wahren und die allgemeinen Hygieneregeln zu beachten: Hände von der Umgebung ebenso wie vom eigenen Gesicht fernhalten und im Rahmen der Möglichkeiten immer mal wieder reinigen.