Süddeutsche Zeitung

Ernährung:Warum Fast-Food-Werbung verbannt werden sollte

Werbung für ungesunde Lebensmittel macht krank, deshalb gehört sie verboten. Doch die Pläne der Ampel dazu sind halbherzig.

Kommentar von Christina Berndt

Der Kampf gegen Seuchen ist hart, weil man dabei immer wieder Verzicht üben muss. Auf Gewohnheiten. Auf Vorlieben. Auf Freiheiten. Besonders hart ist der Kampf, wenn es um so lustvolle Dinge wie Essen und Trinken geht. Deshalb ist der Adipositas-Epidemie noch schwerer beizukommen als der Covid-19-Pandemie - zumal Übergewicht noch leichter verbreitet wird als das Coronavirus. Es braucht dazu nicht mal Aerosole, die Kraft der Gedanken reicht. Eine falsche Idee von dem, was gut, lecker und wichtig ist. Eine falsche Sehnsucht nach Trost.

Diese Gedankenwelt wird gezielt durch Werbung befördert. Die Folge sind zahlreiche Krankheiten, immense Gesundheitskosten und viel Leid. Denn nur die wenigsten Menschen schaffen es, den Verlockungen der Lebensmittelindustrie zu widerstehen. Umso mehr müsste der Staat sie schützen. Zum Beispiel durch breite Werbeverbote für ungesundes Essen.

Diese sind sehr wirksam, wie Studien immer wieder zeigen. So könnte der Stopp der Junk-Food-Reklame in Londoner Verkehrsmitteln, der seit 2019 gilt, fast 100 000 Fälle von Übergewicht verhindert haben. Das zumindest schließen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von der University of Sheffield und der London School of Hygiene & Tropical Medicine aus ihrer Studie, für die sie das Einkaufsverhalten in London mit dem außerhalb der britischen Hauptstadt verglichen haben, wo es kein Werbeverbot gab. Werbung hat einen starken Einfluss darauf, was Menschen konsumieren. Deshalb macht Werbung für Ungesundes krank.

Mit Werbung für ungesundes Essen werden im Handstreich alle Bemühungen der Eltern konterkariert

Die Ampelregierung hat das zum Teil verstanden, sie plant ein Werbeverbot für Junk Food in Kindersendungen. Es ist ein erster Schritt, immerhin: Kinder sehen 20 000 Werbespots pro Jahr, die meisten davon für ungesundes Essen. Damit werden im Handstreich alle elterlichen Bemühungen konterkariert. Denn Kinder, die Fast-Food-Werbung sehen, essen doppelt so häufig Fast Food wie andere Kinder, selbst wenn ihre Eltern selten Fast Food zu sich nehmen.

Doch die Pläne der Ampel sind halbherzig. Kinder schauen nicht nur Kindersendungen. Außerdem verdienen auch Jugendliche und Erwachsene Schutz. Werbung für gesundheitsschädliche Produkte muss insgesamt als das erkannt werden, was sie ist: ein gefährliches Virus, das sich in die Köpfe setzt und Menschen sehr krank machen kann. Man kann die Folgen nicht mit Fußnoten unter der Reklame abfedern und auch nicht mit lauen Beschränkungen aufs Abendprogramm. Ob Junk Food, Tabak oder Alkohol: Es ist höchste Zeit, der Werbung für Dinge, die einen frühen Tod befördern, insgesamt einen Riegel vorzuschieben. Und er darf nicht aus Schokolade sein.

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