Familienpflegezeit 2015:Verschuldet für den Dienst an der Gesellschaft

Familienpflegezeit 2015: Richtungsweisend sind die meisten neuen Regelungen zur Pflege für Verbraucher- und Patientenschützer nicht. In Einzelfällen aber gibt es Verbesserungen.

Richtungsweisend sind die meisten neuen Regelungen zur Pflege für Verbraucher- und Patientenschützer nicht. In Einzelfällen aber gibt es Verbesserungen.

(Foto: imago stock&people/Imago Stock&People)

Hunderttausende Deutsche müssen für die eigene Rente vorsorgen und gleichzeitig die Rentner ihrer Familie pflegen. Auch die neuen Regelungen zur Familienpflegezeit können nicht darüber hinweg täuschen: Was ihnen abverlangt wird, ist die Quadratur des Kreises.

Von Berit Uhlmann

Kritiker sprachen von einer "Lachnummer". Selbst bei wohlwollenderer Betrachtung bleibt es bei der Erkenntnis, dass die 2012 eingeführten Regelungen zur besseren Vereinbarkeit von Pflege und Beruf wirkungslos waren. Etwa 400 000 berufstätige Pflegende gibt es in Deutschland; doch pro Jahr machten nur durchschnittlich 135 Menschen von der so genannten Familienpflegezeit Gebrauch. Seit 1. Januar gelten nun neue, nachgebesserte Regeln, die Angehörigen, die noch im Arbeitsleben stehen, die Pflege erleichtern sollen.

Erstmals gibt es jetzt einen Rechtsanspruch auf die Familienpflegezeit. Angestellte können ihre Arbeitszeit auf bis zu 15 Stunden pro Woche reduzieren und genießen während dieser Zeit Kündigungsschutz. Doch der Rechtsanspruch wurde durch Zugeständnisse an die Arbeitgeber erkauft: Er gilt nun erst für Betriebe mit mindestens 26 Mitarbeitern. Wer in einem Kleinstbetrieb angestellt ist - laut Opposition sind das sieben Millionen Menschen - kann lediglich auf den guten Willen seines Chefs hoffen.

Wer die Auszeit gewährt bekommt, kann sie nun durch ein zinsfreies Darlehen finanzieren. Es deckt maximal die Hälfte des Lohnausfalls ab und kann gerade für Menschen mit geringem Einkommen zur finanziellen Belastung werden. Richtig hart kann es werden, wenn die Familienpflegezeit ausläuft; nach wie vor ist sie auf maximal zwei Jahre begrenzt. Braucht der Pflegebedürftige dann weiter Hilfe, müssen die Angehörigen komplett auf eigene Kosten ihre Arbeit reduzieren oder Helfer bezahlen - und dabei gleichzeitig das Darlehen abstottern. Wer die vollen zwei Jahre in Anspruch nimmt, hat anschließend nur zwei Jahre Zeit, die gesamten Schulden zu tilgen; und die können bei mehreren zehntausend Euro liegen, warnt der Bundesverband der Verbraucherzentralen.

Ein großer Wurf ist die Familienpflegezeit für den Verband daher keinesfalls. Die finanzielle Last trage weiterhin der Beschäftige, klagt auch die Stiftung Patientenschutz. Vorstand Eugen Brysch prognostiziert daher schon einmal, dass das neue Gesetz "keine 30.000 Betroffenen erreichen" werde.

Verbesserungen bei sehr kurzen Auszeiten

Deutlichere Erleichterungen gibt es dagegen bei kurzfristiger Abwesenheit im Job. Tritt ein plötzlicher Pflegefall in einer Familie ein, können sich Arbeitnehmer bis zu zehn Tage freistellen lassen. Der Lohn wird anders als vorher nun zu 90 Prozent weitergezahlt.

Auch wer nur maximal sechs Monate Auszeit vom Job braucht, ist etwas besser dran. Solange sein Betrieb mindestens 16 Beschäftigte hat, kann er eine komplette oder teilweise Freistellung sowie das zinsfreie Darlehen beanspruchen. Diese Regelung nennt sich anders als die Familienpflegezeit nur Pflegezeit und zeigt deutlich, was im Pflegesektor gleich geblieben ist: Begriffsverwirrungen und Bürokratie.

So ist auch die Beantragung der Leistungen kein Spaziergang. Pflegende müssen nachweisen, dass der Bedürftige eine Pflegestufe (mindestens Pflegestufe 1) hat und diese Einstufung unter Umständen erst beantragen. Sie müssen die Details ihrer Freistellung schon im Vorfeld verbindlich mit dem Arbeitgeber vereinbaren und einen Kreditvertrag schließen.

"Der Beratungsbedarf wird sich deutlich erhöhen", prognostizieren daher die Verbraucherzentralen. Wer dies übernimmt, ist jedoch offen. Unwahrscheinlich scheint, dass die Unternehmen von großer Hilfe sein werden. Einer Umfrage von 2013 zufolge kannten lediglich 16 Prozent der Personalchefs die genauen Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf.

Angehoben wurden zum 1. Januar auch die Sätze für das Pflegegeld, die Pflegesachleistungen, die Heimunterbringungen, die Kurzzeit- und Verhinderungspflege. Einen Überblick über die aktuellen Sätze finden Sie hier.

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