Medizin:Umfrage belegt Vertrauenskrise bei Impfungen

Angstthema Impfungen - Umfrage: Vertrauenskrise in Westeuropa

Viele Deutsche stehen dem Impfen kritisch gegenüber.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)
  • Nach den Daten der britischen Stiftung Wellcome Trust empfinden lediglich 59 Prozent der befragten Menschen in Westeuropa Impfungen als sicher.
  • Weltweit sind es mit 79 Prozent weit mehr.
  • Nur 56 Prozent der befragten Deutschen halten Impfungen uneingeschränkt für effektiv.

Viele Europäer haben einer Umfrage zufolge ein großes Misstrauen gegen Impfungen. Nach den Daten der britischen Stiftung Wellcome Trust empfinden in Westeuropa lediglich 59 Prozent der befragten Menschen Impfungen als sehr oder zumindest einigermaßen sicher. Weltweit betrachtet ist das Vertrauen sehr viel größer. Im globalen Durschnitt betrachten 79 Prozent der Menschen Impfungen als sicher.

Soziale Medien trügen zu den Vorbehalten gegen und Ängsten vor Impfungen bei, sagte Heidi Larson, von der London School of Hygiene and Tropical Medicine der Zeitung The Guardian. Zweifel an der Sicherheit von Impfungen habe es immer gegeben, schreiben die Autoren des Reports der Wellcome-Stiftung. Doch erst die sozialen Medien hätten zu einer enorm weiten Verbreitung geführt, die das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen Unicef einmal als Infektionswelle der Missinformation bezeichnet hat.

Für den "Wellcome Global Monitor 2018" wurden mehr als 140 000 Menschen über 15 Jahren in mehr als 140 Ländern dazu befragt, was sie über das Impfen und andere Themen denken. In Bangladesch und Ruanda ist das Vertrauen in Impfungen demnach am höchsten. Innerhalb Westeuropas, wozu die Autoren auch Deutschland zählen, zeigten die Franzosen das größte Misstrauen, dort stuften lediglich 33 Prozent der Befragten Impfungen als sicher ein.

In Deutschland pflichteten 49 Prozent der befragten Männer und 45 Prozent der Frauen dem Statement "Impfungen sind sicher" uneingeschränkt bei. Jeweils 20 Prozent der befragten Männer und Frauen stimmten dem zumindest eingeschränkt zu. Die Zahlen passen etwa zu den Ergebnissen einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung aus dem Jahr 2014. Damals betrachtete ein Viertel der Bevölkerung das Impfen teilweise kritisch, vier Prozent der Bevölkerung in Deutschland standen dem Impfen "eher ablehnend" gegenüber, zwei Prozent haben eine durchweg negative Einstellung dazu.

Ungeachtet der Sicherheitsbedenken hielten in der Wellcome-Befragung 56 Prozent der befragten Deutschen Impfungen rundweg für effektiv, weitere 27 Prozent stimmten dem Statement zumindest eingeschränkt bei. 95 Prozent der Eltern unter den Befragten hatten ihr Kind oder ihre Kinder impfen lassen. Ein ähnlich paradoxes Bild zeigt sich in vielen anderen Weltregionen: Die Effizienz der Impfungen wird oft höher eingeschätzt als deren Sicherheit, Kinder werden trotz Sicherheitsbedenken zum Impfen geschickt.

Lediglich ein Viertel der befragten Deutschen gab an, generell hohes Vertrauen in die Wissenschaft zu haben. Damit liegt Deutschland im europäischen Durchschnitt und gleichauf mit den USA.

"Gerade in den reicheren Ländern, in denen wir nicht länger die schrecklichen Folgen von verhinderbaren Krankheiten sehen, sind Menschen mehr zurückhaltend", sagte Larson mit Blick auf Diphtherie, Masern und Keuchhusten. Das sei jedoch ein Luxus, den man sich nicht leisten könne.

Nur in zwei reichen Erdregionen, Nordeuropa und Nordamerika, war das Vertrauen in Impfungen mit 73 und 72 Prozent recht hoch. In der Ukraine, in der es 2018 mehr als 53 000 Masernfälle gab, hätten lediglich 50 Prozent der Befragten Impfungen als sicher und effizient eingeschätzt.

Misstrauen in staatliche Stellen gehe oftmals einher mit Zweifeln über die Sicherheit von Impfungen, fanden die Studienautoren weiter heraus. Gerade junge Eltern müssten ihre Fragen zu Impfungen schnell und umfassend beantwortet haben, sonst orientierten sie sich an den sozialen Medien, sagte Larson. Dort verbreiteten sich schnell Fehlinformationen, auf die Forscher aber nicht reagieren könnten, weil sie in privaten Facebook-Gruppen oder anderen unzugänglichen Foren kursierten.

Das Kinderhilfswerk Unicef hatte im März davor gewarnt, dass Masern weltweit alarmierende Ausmaße erreicht haben.

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