EuGH-Urteil:Blutspende-Verbot für Schwule ist rechtens - unter Bedingungen

DRK verzeichnet weniger Blutspenden in Thüringen

Ein Blutspender beim Deutschen Roten Kreuz (Symbolbild)

(Foto: dpa)
  • Der Europäische Gerichtshof hält ein Blutspende-Verbot für Männer, die Sex mit Männern haben, für zulässig - sofern zwei Bedingungen erfüllt sind.
  • Zum einen muss für diese Gruppe tatsächlich ein hohes Übertragungsrisiko für Infektionskrankheiten bestehen.
  • Zum anderen müssen alle Alternativen für ein Verbot in Betracht gezogen worden sein. Zum Beispiel Blutuntersuchungen oder genauere Fragebögen zu riskantem Sexualverhalten.
  • Das Urteil bezieht sich auf eine Klage in Frankreich, wo Schwule - ähnlich wie in Deutschland - pauschal von der Blutspende ausgeschlossen sind.

Was hat der Europäische Gerichtshof entschieden?

Der Ausschluss Schwuler von der Blutspende kann einem EuGH-Urteil zufolge rechtens sein. Voraussetzung ist aber ein hohes Übertragungsrisiko für Infektionskrankheiten wie etwa HIV, urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Mittwoch in Luxemburg (Rechtssache C-528/13).

Zudem müsse geprüft werden, ob ein Verbot gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt. Nicht zulässig wäre ein generelles Spendeverbot auch, wenn es eine gute Alternative gäbe. Dies könnten zum Beispiel wirksame Testmethoden für Blutspenden oder eine genaue Befragung des Spenders zu riskantem Sexualverhalten sein.

Um welchen konkreten Fall geht es bei dem Urteil?

Das aktuelle EuGH-Urteil bezieht sich auf einen Fall in Frankreich. In der Stadt Metz wollte ein Mann Blut spenden, ein Arzt lehnte dies ab, da der Mann eine Beziehung zu einem anderen Mann hatte. In Frankreich sind sexuell aktive Schwule ähnlich wie in Deutschland von der Blutspende ausgeschlossen. Der abgewiesene Mann erhob gegen diese Entscheidung Klage beim Verwaltungsgericht im französischen Straßburg. Das Gericht überwies die Entscheidung an den Europäischen Gerichtshof.

Wie geht es jetzt weiter?

Das Gericht in Straßburg muss nun klären, ob in Frankreich tatsächlich ein hohes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten besteht. Nach Daten der Pariser Regierung aus den Jahren 2003 bis 2008 waren homosexuelle Männer die am stärksten von HIV-Neuinfektionen betroffene Gruppe. Die Ansteckungsrate war demnach 200 Mal höher als in der heterosexuellen Bevölkerung des Landes. Das Gericht muss prüfen, ob diese Daten belastbar und weiterhin relevant sind.

Doch selbst wenn ein höheres Risiko für Männer mit sexuellen Beziehungen zu anderen Männern festgestellt wird, reicht das nicht aus, um sie pauschal von der Blutspende auszuschließen. Denn in Artikel 21, Absatz 1 der EU-Grundrechte-Charta wird eine Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung explizit verboten. Zwar gehe es bei den Bestimmungen zur Blutspende (für die EU geregelt in der Richtlinie 2004/33/EG) darum, das Risiko für Empfänger von Transfusionen zu minimieren - dies könne aber auch durch andere Maßnahmen gewährleistet werden, so der Schluss des Europäischen Gerichtshofs.

Die Richter in Straßburg müssen nun beurteilen, ob es geeignete Bluttests zur Untersuchung der Proben gibt, um die nötige Sicherheit zu gewährleisten. Bislang werden zwar alle Blutspenden auf HIV getestet, doch die Tests können kurz zurückliegende Infektionen nicht sicher erkennen. Es gibt eine diagnostische Lücke, die mehrere Wochen betragen kann. Ob man sie umgehen kann, muss geprüft werden. Auch eine genauere Befragung zu riskantem Sexualverhalten könnte nach Meinung der EuGH-Richter in Frage kommen. Stünden solche Alternativen zur Verfügung, wäre ein generelles Spendeverbot für sexuell aktive Schwule nicht mehr haltbar.

Was bedeutet das Urteil für Deutschland?

Europäisches Recht gilt für alle EU-Mitgliedsstaaten. Das EuGH-Urteil muss daher genauso auch von deutschen Gerichten angewandt werden, die mit einem ähnlichen Fall konfrontiert werden wie die französischen Richter in Straßburg.

Auch in Deutschland gelten Männer, die mit Männern Sex haben, als Gruppe mit erhöhtem Risiko: Laut Robert Koch-Institut entfielen 2013 drei Viertel der ungefähr 3200 HIV-Neuinfektionen auf Schwule. Sie sind daher bislang neben Heterosexuellen mit häufig wechselnden Geschlechtspartnern oder Prostituierten von der Blutspende ausgeschlossen. Grundlage ist die Beantwortung eines Fragebogens vor der Spende.

Der Grünen-Innenpolitiker Volker Beck hatte vor dem Urteil eine Lockerung des generellen Ausschlusses homosexueller Männer von der Blutspende gefordert. "Es ist richtig, bei Blutprodukten und Bluttransfusionen keine Kompromisse bei der Sicherheit zu machen", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Aber Sicherheit bedeute auch, dass man Risiken rational benennen und an ihnen und nicht an Vorurteilen die Vorsichtsmaßnahmen ausrichten müsse.

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