Ethikrat befasst sich mit Gendiagnostik:Beratung und Bestrafung

Immer mehr Menschen erhalten Zugang zu Gentests - auch solchen mit fragwürdiger Aussagekraft. Der Ethikrat warnt vor überzogenen Erwartungen und Fehlinformationen. Er fordert zugleich Strafen für die, die andere ohne deren Zustimmung genetisch untersuchen lassen.

Von Nina von Hardenberg

"Fragen Sie Ihren Körper" oder "Verstehen Sie sich selbst" - so lauten die Slogans, mit denen kommerzielle Anbieter von Gentests um Kunden werben. Auf den Internetseiten finden sich dann etwa Bilder von Milch und Obst zusammen mit dem Hinweis, dass nicht jeder Mensch jedes Lebensmittel verträgt, und dass sich mit einem Blick in die Gene aber mancher Ernährungsfehler vermeiden ließe. Der Gentest als Schlüssel zur richtigen Ernährung, ist nur eines von unzähligen Angeboten in dem sich rasant entwickelnden Markt der DNA-Analysen.

Durch sinkende Kosten, schnellere Analysen und die Direktvermarktung von Gentests über das Internet erhalten immer mehr Menschen Zugang zu genetischer Diagnostik und damit auch zu Angeboten von zum Teil fraglicher Aussagekraft. Eine Entwicklung, die Experten zum Teil mit Sorge beobachten. "Es entsteht eine ungeheure Menge an Befunden, die sehr unterschiedliche Qualität haben können", warnt die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Christiane Woopen. Manche seien für die medizinische Versorgung sehr hilfreich, andere erbringen belastende Informationen über Erbkrankheiten, für die es keine Therapie gebe, und wieder andere seien von zweifelhafter Qualität.

Der Ethikrat hatte am Dienstag eine umfassende Stellungnahme zur Zukunft der genetischen Diagnostik vorgelegt und darin auch vor überzogenen Erwartungen und einer Fehlinformation der Bevölkerung gewarnt. "Gendiagnostik hat ein hohes Potenzial, Menschen in die Irre zu leiten, wenn die Befunde nicht gut erklärt werden", sagte Woopen, Leiterin der Forschungsstelle Ethik an der Uni Köln. So glaubten viele Menschen, in ihren Genen stehe ihr Schicksal für ihr Leben.

Dass ein Mensch aber genetisch bedingt zum Beispiel ein erhöhtes Risiko für Brustkrebs hat, heißt noch lange nicht, dass er daran erkrankt. Für die meisten Leiden können mit Gentests nur solche erhöhten Risiken vorhergesagt werden. Andere genetische Anlagen wiederum würden nur im Zusammenspiel mit Umwelteinflüssen überhaupt zu Krankheiten führen. Die Politik müsse die Verbraucher deshalb besser informieren, lautet eine Forderung des Ethikrates. Die Experten regen eine unabhängige Plattform im Internet an.

Recht auf Nichtwissen

Ein solches Informationsangebot könnte den Menschen auch bei der Einschätzung der vielen nicht-medizinischen Tests helfen, die Firmen aus dem In- und Ausland inzwischen anbieten. So testet etwa die US-Firma 23andMe laut Stellungnahme 57 nichtmedizinisch unmittelbar relevante Merkmale, darunter Vorhersagen zu Geruchssensibilität und der Reaktion auf bestimmte Sportprogramme genauso wie zu Gedächtnisleistung, Intelligenz, Brustgröße und Haardichte. Die Internetanbieter betreuten ihre Kunden auch nicht ausreichend. Das sei fatal, denn auch bei Tests zu nichtmedizinischen Zwecken könnten Krankheitsanlagen entdeckt werden. "Die Kunden stehen dann mit dieser Information alleine da", sagt Woopen. Ärzte müssten auch bei Gentests zu nichtmedizinischen Zwecken aufklären und beraten, fordert der Ethikrat.

Information und Erklärung - diese Forderungen finden sich an vielen Stellen in der Stellungnahme. So sollte jeder Patient auch vor dem Test genau gefragt werden, welche Informationen er wissen möchte, und welche nicht. "Will ich von Krankheiten wissen, für die es keine Therapien gibt? Will ich Leiden kennen, die erst spät im Leben ausbrechen?" Anhand solcher Fragen könnte der Patient sich auch vor Wissen schützen. Denn zur Selbstbestimmung gehöre Nichtwissen genauso wie das Wissen, betonen die Experten. Aus dem gleichen Grund fordern sie auch eine neue Strafvorschrift. Künftig sollen auch Menschen bestraft werden können, die andere ohne deren Zustimmung genetisch untersuchen lassen, indem sie zum Beispiel heimlich eine Speichelprobe einschicken.

Wie aber soll mit Gentests in der Schwangerschaft umgegangen werden? Wer schützt die Mutter und ihr ungeborenes Kind vor ausufernden Tests an deren Ende, wie etwa bei der Untersuchung zur Erkennung des Down-Syndroms - oftmals keine Therapie, sondern eine Entscheidung über Tod oder Leben des ungeborenen Kindes steht? Die Mitglieder des Ethikrates fanden in dieser Frage zu keiner einheitlichen Antwort. Ein Teil von ihnen sprach sich für höhere Hürden aus. So solle der umstrittene Bluttest zur Früherkennung des Down-Syndroms nur Frauen erlaubt sein, die ein erhöhtes Risiko haben, ein krankes Kind zu bekommen. Andere Experten aber lehnten eine solche Einschränkung ab.

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