Essig gegen Keime im Salat:Anmachen und abtöten

Gemüse

Gemüse

(Foto: Olga Lyubkin - Fotolia)

Wir essen mehr gesundes Grünzeug denn je, doch Rohkost wie Salat ist besonders anfällig für Keime. Essig-Öl-Dressings schmecken nicht nur gut, sie beseitigen obendrein auch die krankmachende Bakterien auf den Blättern.

Von Kathrin Burger

Die meiste Zeit der Menschheitsgeschichte nahm Blattsalat keine wichtige Rolle auf dem Speiseplan ein, doch heute erfreut sich das Grünzeug zunehmender Beliebtheit. Gemischter Salat etwa mit Putenbruststreifen, Thunfisch oder Feta-Käse taugt sogar als volle Mahlzeit. Doch mit diesen veränderten Essgewohnheiten mehren sich auch Krankheiten, die durch gefährliche Keime auf der Rohkost ausgelöst werden. So können sich auf Tomaten, Sprossen, Kräutern, Spinat und Blattsalaten krankmachende Bakterien wie Salmonellen, Listerien oder Escherichia coli (Ehec) tummeln. Besonders anfällig für eine mikrobielle Belastung sind verpackte, verzehrfertige Schnittsalate. Zwar reduziert bereits das Waschen mit Wasser die Mikrobenzahl um bis zu 90 Prozent, dennoch suchen Mikrobiologen und Lebensmitteltechnologen nach Wegen, die immer wieder epidemieartig auftretenden Krankheitsausbrüche zu verhindern.

Dabei haben sich einige Wissenschaftler nun auf die alte Überlieferung des im antiken Griechenland lebenden Arztes Hippokrates besonnen. Hippokrates setzte Essig zur Bekämpfung diverser Infektionen ein, ohne etwas von den dahinter steckenden Kleinstlebewesen zu ahnen. Er empfahl etwa mit Essig getränkte Wundverbände bei Geschwüren oder eine Mixtur aus Essig und Honig gegen Atemwegsbeschwerden.

Antibakterielle Wirkung

Da das Servieren eines Salates mit Essig-Öl-Dressing eine altbewährte Kulturmethode ist, die vor allem die Franzosen seit dem Mittelalter pflegten, prüfte Nancy Faith im Jahr 2012 das desinfizierende Potenzial dieser Sauce an ungekochtem Spinat. Die Versuche der Mikrobiologin von der University of Wisconsin zeigten, dass allein der Essig die Keimbelastung stark reduziert. Pathogene Bakterien der Gattung Salmonella enterica wurden um bis zu zwei Zehnerpotenzen verringert. Frühere Studien belegen auch eine Wirkung des Essigs gegen Viren.

Der Grund: Essighaltige Marinaden senken den pH-Wert auf 6,1 bis 3,9. "Die Ansäuerung lässt die Keime sterben", erklärt Gerhard Strauß, Wissenschaftler an der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft in Freising. Auch der Tiermediziner Timo Nauer von der Universität Zürich hat bereits im Jahr 2009 eindrucksvoll gezeigt, dass Essigsäure gegen diverse krankmachende E.-coli-Bakterien hilft. Bei einem pH-Wert von weniger als 6,1 vermehrten sich die Keime nicht mehr. In der Industrie nutzt man deshalb bereits das keimabtötende Potenzial von Säure. "Man gibt etwa bei der Produktion von Schnittsalaten Zitronensäure in das Waschwasser", berichtet Biserka Becker, Biologin am Max-Rubner-Institut (MRI). Das entferne etwa 99 Prozent der auf den Pflanzen anhaftenden Bakterien. Es spricht also nichts dagegen, den Salat anstatt mit Essig mit Zitronensaft anzumachen.

Auch andere in der Salatsauce bewährte Zutaten wie Senf, Zwiebeln, Knoblauch, Kräuter oder Chili töten Keime ab. In Zwiebeln etwa machen schwefelhaltige Substanzen den Bakterien und Pilzen zu schaffen. Weniger wirksam sind hingegen die immer beliebter werdenden Joghurt-Dressings. Auch Mayonnaise in der Sauce neutralisiert die Säure und schwächt damit die desinfizierende Wirkung.

"Keimzahl auf bis zu ein Prozent reduzieren"

Allerdings zeigt sich zunehmend, dass Gemüse und Obst nicht nur mit krankmachenden Keimen besiedelt sind. Vielmehr besitzt das Grünzeug auch eine sogenannte autochthone Besiedlung mit Bakterien, die der menschlichen Gesundheit womöglich zuträglich ist. So hat Noah Fierer, Mikrobiologe an der University of Colorado, vergangenes Jahr gezeigt, dass auf Äpfeln, Trauben, Salat, Pfirsichen, Paprika, Spinat, Sprossen und Tomaten sehr unterschiedliche Arten und Mengen gutartiger Mikroben leben. "Die Bakterien könnten einerseits mit pathogenen Keimen in Konkurrenz treten und diese dadurch reduzieren. Andererseits könnten sie unbeschadet bis in den Dickdarm gelangen, wo sie zu einer gesunden Darmflora beitragen und damit Allergien verhindern," schreibt der Wissenschaftler.

Ob auch diese Flora durch Essig abgetötet wird, hat nun der Freisinger Wissenschaftler Strauß in einer aktuellen Studie untersucht. Er behandelte grünen Blattsalat wahlweise mit einer reinen Essig-Kur oder einer Essig-Öl-Marinade. Davor identifizierte er die Mikroben-Stämme und die Keimzahl auf den Salatblättern, ohne diese zuvor zu waschen. Er fand hauptsächlich Enterobakterien (60 Prozent) und Pseudomonaden (30 Prozent). Einige Vertreter dieser Gruppen, etwa E. coli, zählen auch zu Krankheitserregern. Hefen, Schimmel- und Schwärzepilze kamen kaum auf den Blättern vor - sie vermehren sich vor allem, wenn der Salat welk wird. Wie Strauß' Tests zeigten, waren schon kurz nach der Essig-Zugabe bis zu 80 Prozent der Bakterien und Pilze inaktiviert.

"Gute Mikroben" im Salat? Wissenschaftler sind skeptisch

In einer Essig-Öl-Mixtur ließen sogar noch mehr Mikroben ihr Leben. "Das kann der Steigerung der Essigsäure-Konzentration in der wässrigen Phase geschuldet sein", mutmaßt Strauß. Möglicherweise löst das Öl auch die Mikroflora aus Furchen zwischen Zellen oder Epidermisfalten der Blattoberfläche heraus. "Wenn man davon ausgeht, dass der Salat normalerweise zuerst gewaschen und dann mit einem Essig-Öl-Dressing angemacht wird, kann man so die Keimzahl auf bis zu ein Prozent reduzieren", sagt Strauß. Diese Kulturtechnik habe vermutlich vielen Menschen in Zeiten zweifelhafter Hygienebedingungen das Leben gerettet. Trotzdem warnt er vor Panikmache: "Pflanzliche Lebensmittel sind heute von hervorragender Qualität, und die darin vorkommenden Mikroorganismen in der Regel absolut harmlos."

Die MRI-Wissenschaftlerin Becker ist hingegen weniger überzeugt von der Theorie der "guten" Mikroben auf Blattsalaten. "Dominant sind immer Pseudomonaden und Enterobakterien, auch wenn Sie den Salat aus dem Garten holen. In der Erde, im Gießwasser oder auch im Keimling können pathogene Keime schlummern, die Sie dann auf oder in der Pflanze haben." Deswegen empfiehlt die Wissenschaftlerin, Blattsalate stets mit essighaltigen Saucen zuzubereiten.

Einen Einfluss auf die menschliche Gesundheit könnte die autochthone Flora trotzdem haben, auch wenn sie nicht mehr lebensfähig ist. So sind in abgetöteten Keimen wertvolle Stoffe enthalten. In Pflanzen-Mikroben finden sich Vitamine, essenzielle Aminosäuren und Spurenelemente. Gerhard Strauß hat etwa in früheren Studien gezeigt, dass der Verzehr von erhitzten Getreideprodukten allein durch die Masse an natürlicherweise dort lebenden Bakterien einen erheblichen Anteil des menschlichen Vitamin-B12-Bedarfs decken kann.

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