Ernährung in der Schwangerschaft:Vorsicht Vitamine!

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Frisches Obst und Gemüse sind zu empfehlen, viele Vitamintabletten dagegen nicht. (Foto: imago/Science Photo Library (M))

Viele Schwangere schlucken wahllos Nahrungsergänzungsmittel. Doch die Vitaminpillen können dem Baby schaden.

Von Kathrin Burger

Eigentlich sollte eine Schwangerschaft Freude und Glück bescheren. Doch ein positiver Schwangerschaftstest bedeutet heutzutage für viele werdende Eltern auch die Sorge, etwas falsch zu machen. Vor allem die Ernährung beschäftigt die Schwangeren. Denn an Nährstoffen soll es dem Kind auf keinen Fall mangeln. Nach dem Motto "Viel hilft viel" schlucken Schwangere oft zusätzlich Vitamintabletten. Das ist in vielen Fällen nicht nur Geldverschwendung, sondern kann sogar negative Folgen für Mutter und Kind haben.

Eine Studie der TU München hat bereits 2011 gezeigt, dass werdende Mütter wahllos und überdosiert etwa Eisen, Omega-3-Fettsäuren und Magnesium schlucken. Kürzlich warnte die französische Gesundheitsbehörde Anses noch einmal vor übermäßigem Konsum von Vitamintabletten. Die Forscher berichten von fünf Neugeborenen mit Hyperkalzämie, also einem erhöhten Kalzium-Pegel im Blut, weil ihre Mütter Vitamin-D-Tabletten genommen hatten. Zwei weitere Kinder hatten eine Schilddrüsenunterfunktion durch zu viel Jod. Beides könne schwere Folgen haben, warnen die Anses-Forscher: bei einer Hyperkalzämie etwa starken Gewichtsverlust oder Dehydrierung, bei einer Schilddrüsenunterfunktion geistige Retardierung.

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Offizielle Warnungen wie in Frankreich gibt es in Deutschland zwar bislang nicht, da mögliche Nebenwirkungen von Nahrungsergänzungsmitteln hierzulande nicht systematisch erfasst werden. Doch auch Experten der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) und des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) sind der Ansicht, dass Schwangere ohne nachgewiesenen Mangel oder Rücksprache mit einem Arzt von Multinährstoffpräparaten die Finger lassen sollten.

Veganerinnen sollten unbedingt zur Ernährungsberatung gehen, wenn sie schwanger werden

Tatsächlich steigt der Bedarf an bestimmten Mineralien und Vitaminen in der Schwangerschaft erheblich. Mit einer ausgewogenen Mischkost könne der höhere Nährstoffbedarf jedoch gedeckt werden, sagt Michael Krawinkel, Vitamin-Experte der DGE. Allerdings gibt es zwei Ausnahmen: So ist mittlerweile gut belegt, dass die Einnahme von zusätzlichen 400 Mikrogramm Folsäure pro Tag die Wahrscheinlichkeit eines Neuralrohrdefekts beim ungeborenen Kind senkt. Folsäure-Tabletten werden darum allen Frauen mit Kinderwunsch mindestens vier Wochen vor der Empfängnis und Schwangeren in den ersten drei Monaten empfohlen.

Des Weiteren rät das Netzwerk "Gesund ins Leben", ein Zusammenschluss verschiedener Fachgesellschaften, Jod in einer Menge von 100 bis 150 Mikrogramm pro Tag als Tablette einzunehmen, um die empfohlene Tagesmenge von insgesamt 230 Mikrogramm zu erreichen. Die meisten Frauen schaffen es nämlich nicht, ausreichend Jod über die Nahrung, etwa Seefisch oder Milchprodukte, aufzunehmen. Trotzdem sollten Schwangere Rücksprache mit ihrem Arzt halten. "Die Anses-Fälle haben gezeigt, wie wichtig es ist, eine Anamnese machen zu lassen, bevor die Frauen Jodtabletten einnehmen", sagt Anke Weißenborn vom BfR.

Ein Spezialfall sind Veganerinnen. Die DGE rät Schwangeren sicherheitshalber ganz von einer veganen Ernährung ab. Krawinkel meint jedoch: "Die Frauen sollten in eine Ernährungsberatung gehen, und dort wird entsprechend auch eine Nahrungsergänzung empfohlen." Denn in einer rein pflanzlichen Ernährung mangelt es an vielem - an Eiweiß, Vitamin B12, Kalzium, Selen, Jod und Eisen.

Frauen, die nicht vegan leben, sollten hingegen nur dann Eisen-Tabletten schlucken, wenn sie einen diagnostizierten Mangel haben. Das sind etwa 20 bis 30 Prozent. Denn der Nutzen dieser Präparate ist nicht ganz sicher. "Der weibliche Körper kann wohl mit einem etwas zu niedrigen Eisenspiegel umgehen und das ungeborene Kind trotzdem gut versorgen", sagt Weißenborn. Trotzdem nehmen laut der TU-Umfrage 65 Prozent der Schwangeren Eisen in teils großen Mengen ein. Neben eher harmlosen Magen-Darm-Beschwerden könnte das erhebliche weitere Risiken bergen: "Studien deuten darauf hin, dass Frauen mit einem hohen Eisenspiegel ein erhöhtes Risiko für Schwangerschaftsdiabetes haben könnten", so Weißenborn.

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Ebenfalls umstritten ist, ob eine Extraportion Omega-3-Fettsäuren den Nachwuchs vor Übergewicht und Allergien schützt oder die Intelligenz verbessert. Weil die Studienlage bis heute nicht eindeutig ist, gibt es keine Empfehlungen für Schwangere, diese einzunehmen. Ein- bis zweimal pro Woche fettreichen Seefisch zu essen, reicht laut Netzwerk "Gesund ins Leben" aus. "Wer das nicht mag, dem schadet ein Präparat mit Omega-3-Fettsäuren in der richtigen Dosierung aber sicher nicht", sagt Weißenborn. Der Star unter den Vitaminen ist derzeit das Vitamin D. Es spielt eine Rolle im Knochenstoffwechsel und im Immunsystem. Zwar gingen bei Schwangeren niedrige Werte von weniger als 20 Nanogramm pro Milliliter Blut mit einem erhöhten Risiko für Präeklampsie, also eine Schwangerschaftsvergiftung, und Frühgeburten einher. Beim Kind kann Vitamin-D-Mangel Rachitis, Allergien, Multiple Sklerose und neurologische Krankheiten zur Folge haben. "Unklar ist bislang jedoch, was der Blutwert über die Vitamin-D-Versorgung aussagt und ob ein Anheben des Wertes über Vitamin-Tabletten möglich und hilfreich ist", sagt Krawinkel. Nach einer Cochrane-Analyse aus dem Jahr 2016 sind allgemeine Einnahmeempfehlungen für Vitamin D nicht gerechtfertigt. Dass die Substanz für Neugeborene in seltenen Fällen gefährlich werden kann, belegt zudem das Monitoring der französischen Wissenschaftler.

Auch die Vitamine C und E sowie Magnesium sind in der Schwangerschaft in Kapselform beliebt und haben ein harmloses Image. Zumindest für Vitamin E in hohen Dosierungen aber sind teils erhebliche Nebenwirkungen wie Unterleibsschmerzen und vorzeitiger Blasensprung bekannt. Und schon lange raten Ernährungsexperten Schwangeren davon ab, Leber zu essen, da diese für den Embryo toxische Mengen an Vitamin A enthält. "Viel hilft eben nicht viel", sagt Anke Weißenborn.

Ein Marktcheck der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg im Jahr 2014 hat gezeigt, dass alle Präparate für Schwangere entweder überdosiert waren oder überflüssige Stoffe enthielten. "Deren Vermarktung trägt zur Verunsicherung der Frauen bei", so Weißenborn. Von Präparaten, die ausschließlich im Internet erhältlich sind, rät sie ganz ab.

© SZ vom 09.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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