Erkältungsmittel mit Codein:Auf Hustensaft in die Notaufnahme

Sie wechselte die Sprache und fabulierte: Geistig verwirrt kam ein 14-jähriges Mädchen in Irland ins Krankenhaus. Ursache war ein gängiges Erkältungsmittel.

Von Werner Bartens

Im Herbst und Winter sind sie der Renner in der Apotheke. Doch egal ob Hustensaft, Nasentropfen oder Immunstimulanzien - allen diesen Mitteln ist gemeinsam, dass sie wenig bis gar nichts nützen, aber Schaden anrichten können. Von einem besonders schweren Fall berichten irische Ärzte im Fachmagazin BMJ Case Reports (online).

Eine zuvor gesunde 14-Jährige musste demnach in die Notaufnahme gebracht werden, weil sie zunehmend verwirrt war und unter Gedächtnisverlust litt. So wechselte sie die Sprache, während sie Hausaufgaben erledigte. Sie sagte ihrer Mutter, dass sie gerade geduscht habe, obwohl dies offensichtlich nicht der Fall war, und schlief an manchen Tagen bis zu 20 Stunden.

Den Grund für ihre Konfusion fanden die Ärzte in der Urinanalyse; dort wurde Codein nachgewiesen. Nachfragen ergaben, dass die 14-Jährige über zwei Wochen hinweg ihren grippalen Infekt mit täglich drei Esslöffeln eines codeinhaltigen Hustensafts behandelt hatte. Damit lag sie um mehr als das Doppelte über der Höchstdosis. Das Ärzteteam um David O'Reilly warnt nun vor dieser Art von Therapie. Sie sei "besonders unnötig", weil sie nicht nur gefährlich werden könne, sondern auch Belege dafür fehlten, dass codeinhaltige Säfte überhaupt etwas nutzen.

Codein hemmt den Atemantrieb, was lebensbedrohlich werden kann

Codein gehört zur Gruppe der Opiate und dämpft den natürlichen Hustenreiz, ohne die Ursache zu beheben. Das Mittel hemmt allerdings auch den Atemantrieb, was bedrohlich werden kann. Weil zahlreiche Komplikationen, darunter sieben Todesfälle, nachgewiesen wurden, hat die Europäische Arzneimittelbehörde EMA im März 2015 davor gewarnt, codeinhaltige Substanzen Kindern unter zwölf Jahren zu verschreiben. Jugendliche und Erwachsene nehmen die Mittel aber weiterhin, oftmals sind sie Kombinationspräparaten beigemischt, die frei verkäuflich in der Apotheke gegen Erkältungsleiden angeboten werden. "Angemessen ist das nicht", sagt O'Reilly. "Die Mischung aus fehlender Wirkung, dem Risiko einer akuten Vergiftung und Abhängigkeit bei längerem Gebrauch spricht nicht dafür."

Neben Hustensäften sind auch andere Mittel gegen Erkältungen fragwürdig. Nasensprays und -tropfen können zwar dazu beitragen, die Atemwege zu befreien. Kurzfristig mag das hilfreich sein, langfristig wird die Schleimhaut jedoch geschädigt, und bei einer Überdosis drohen Puls- und Blutdruckanstieg. Lutschtabletten oder Lösungen zum Gurgeln erreichen nur die Oberfläche der Schleimhaut, was wenig nützlich ist, da von der Infektion tiefere Schichten des Gewebes betroffen sind. Die Beschwerden lindern auch Bonbons, beispielsweise mit Kräuteraroma.

In Kombinationspräparaten sind oft Schmerzmittel enthalten sowie Substanzen, die den Hustenreiz lindern, das Fieber senken und die Schleimhaut abschwellen lassen sollen. Ärzte raten davon ab, weil schwer zu unterscheiden ist, welche Bestandteile helfen und welche schaden oder überflüssig sind. Viele dieser Mittel machen müde, weil sie antiallergene Substanzen enthalten.

Große Studien haben nicht den Beweis erbringen können, dass Vitamin-C-Präparate, Echinacea oder Umckaloabo vor Erkältungen schützen oder die Krankheit günstig beeinflussen. Die Popularität der Mittel ist trotzdem ungebrochen. Falsch ist es, Erkältungsleiden mit Antibiotika zu behandeln. Husten, Schnupfen, Heiserkeit und Bronchitis sind fast immer viral bedingt - und gegen Viren helfen keine Antibiotika, auch wenn zwei Drittel der Ärzte die Mittel noch immer gegen grippale Infekte verordnen. Was bleibt, sind Hausrezepte - und Geduld.

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