Erkältungs-Knigge für den Beruf:Bett oder Büro?

Herbstzeit ist Erkältungszeit. Auch in den Büros gehören Taschentücher, Schals und Kräutertees zum gewohnten Bild, sobald es draußen kühl und grau wird. Doch wie viel Erkältung oder gar Grippe darf man seinen Kollegen zumuten?

Verena Wolff und Berit Uhlmann

Mit dem Herbst sind Husten und Schnupfen wieder allgegenwärtig in deutschen Büros. Schniefende Kollegen hier, hüstelnde da. Sollte nicht jeder, den Erkältungs- oder gar Grippeviren erwischt haben, das Bett hüten und sich auskurieren? "Grundsätzlich ja", sagt Stil- und Etikette-Beraterin Bettina Geißler aus Norderstedt bei Hamburg. "Unter Rücksicht auf die anderen sollte man immer empfehlen, zu Hause zu bleiben." Allerdings sei diese Empfehlung oft zu kurz gegriffen, denn "wenn Projekte anstehen oder abgeschlossen werden müssen, haben die Angestellten manchmal wirklich keine Zeit, zu Hause zu bleiben".

Wer sich allerdings sehr krank fühle und noch in der Ansteckungsphase befinde, "tut seiner Umwelt keinen Gefallen, wenn er ins Büro kommt". Und es gibt noch ein anderes Problem: "Wer sich entscheidet, ins Büro zu gehen, muss volle Leistung bringen." Das würden zumindest die Kollegen und Mitarbeiter erwarten. Andererseits hat der Chef eine Fürsorgepflicht und muss in wirklich schlimmen Fällen auch mal einen Angestellten nach Hause schicken - auch wenn der gar nicht will. "Es gibt ja Mitarbeiter, die gehen lieber mit dem Kopf unter dem Arm zur Arbeit als sich krank zu melden", sagt Geißler.

Ist und bleibt der Mitarbeiter im Büro, sollte er sich an Höflichkeits- und Hygiene-Regeln halten. Das fängt mit dem simplen Händewaschen an: Zu Zeiten der Schweinegrippe appellierten einige Unternehmen an ihre Angestellten, sich die Hände gar nicht mehr zu reichen. Solche Maßnahmen sind zur Abwendung einer simplen Erkältung überflüssig. Vor ihr schützt sich am besten, wer sich regelmäßig die Hände gründlich wäscht - vor allem morgens, wenn er aus einem vollen Bus oder Zug kommend das Bürogebäude betritt. Danach kann er Kollegen oder Kunden problemlos per Handschlag begrüßen.

Wer niesen und husten muss, sollte immer einen Stoß Papiertaschentücher dabei haben. Niesen kann Keime mit hoher Geschwindigkeit meterweit in die Umgebung katapultieren. "Es versteht sich von selbst, dass man Kollegen oder Kunden diesem Bombardement nicht aussetzt", sagt Geißler. Allerdings ist es keine Alternative, das Niesen zu unterdrücken, auch wenn das vornehm oder rücksichtsvoll wirken mag. Wenn der hohe Druck nicht durch Nase oder Mund entweichen kann, können Verletzungen im Ohr die schmerzhafte Folge sein.

"Aus Etikette-Sicht gibt es eine Reihe von Empfehlungen", sagt Trainerin Geißler. Lange Zeit hieß es, man solle nicht die Hand vor den Mund halten, sondern den Handrücken. "Inzwischen ist man beim oberen Teil des Unterarms oder der Ellenbeuge." Die Empfehlungen für Niesen und Husten gelten in unseren Breiten für die linke Hand und Ellenbeuge, "denn wir geben uns die rechte Hand zur Begrüßung oder Verabschiedung", so Geißler.

Gute Wünsche für den Leidenden

Aus gesundheitlicher Sicht ist es am besten, sich wegzudrehen und in ein Taschentuch zu niesen oder zu husten. So verhindert der Erkältete, seine Keime über die Hände auf Türklinken und Wasserhähne zu übertragen. Ist kein Taschentuch vorhanden, empfiehlt auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) die Ellenbeuge zum Auffangen der Keime.

Bleibt die Frage nach den guten Wünschen für die Erkrankten: "'Gesundheit' soll man laut den aktuellen Knigge-Regeln nicht mehr wünschen", sagt Geißler. Allerdings: "Es kommt ein bisschen auf die Situation und die Beziehung unter den Kollegen an." Sie beschreibt zwei Szenarien: "Wer mit zehn Kollegen und Kunden in einem Meeting sitzt und von einem Niesanfall geplagt wird, dem ist zehn Mal 'Gesundheit' noch unangenehmer." Wer allerdings mit gut bekannten Kollegen ein Büro teile, freue sich zumindest gelegentlich über Anteilnahme und ein nett gemeintes "Gesundheit".

Auch wenn der Erkrankte sich mit Nasenspray, Hustenbonbons und Taschentüchern versorgt habe, sollte der Schreibtisch nicht wie ein Lazarett aussehen, so Geißler. "Das gibt kein gutes Bild nach außen ab." Auch der Kranke selbst sollte sich lieber im dezenten Schweigen üben, als sich lang und breit über seine Viren und Bazillen zu beklagen.

Ähnlich wie beim Husten und Niesen lauern auch beim Schnäuzen Fettnäpfchen. "Man kann ja nichts dafür, das die Nase läuft - aber es kommt sehr auf das Verhalten an", sagt die Beraterin. Schließlich könne man die Nase leise und dezent putzen - oder wie ein kleiner Elefant. "Die Empfehlung ist ganz klar: Am besten geht man in einen Waschraum, zumindest aber wendet man sich von den Kollegen ab."

Eine Unsitte hält sich in Büros hartnäckig: Wer in ein Taschentuch geschnäuzt, gehustet oder geniest hat, faltet es zierlich zusammen und steckt es sich in die Hosentasche, in den Ärmel oder griffbereit zwischen Hinterteil und Sitzfläche des Stuhls. Damit aber bebrütet man die Erreger und bietet ihnen optimale Wachstumsbedingungen, wie Mediziner immer wieder mahnen. Benutzte Taschentücher sollten schnellstmöglich in einem Mülleimer entsorgt werden, rät die BZgA.

Eine weitere, zumindest zweifelhafte Einrichtung: der Luftbefeuchter. Kaum beginnt die Heizperiode, stehen diese Geräte in vielen Büros - schließlich will man nicht durch die trockene Luft krank werden. Ob sie Erkältungsbeschwerden wirklich verhindern oder lindern, ist allerdings nicht klar bewiesen. Sicher ist, dass die meisten Geräte hygienisch problematisch werden können. Denn steht die warme Flüssigkeit tagelang, können sich gefährliche Wasserkeime vermehren. Vernebelt das Gerät die Flüssigkeit, können sie in die Atemwege gelangen und ernster krank machen als die gewöhnlichen Erkältungsviren. Wer also derartige Geräte benutzt, sollte sie regelmäßig genau nach Anleitung reinigen.

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