Fünf Millionen Euro für eine bis dahin weithin ignorierte Erkrankung, das war wie eine kleine Revolution. Als der Haushaltsausschuss des Bundestags vor zwei Jahren erstmals diese Summe für die Erforschung der Endometriose zur Verfügung stellte, war das nicht nur dringend benötigtes Fördergeld, sondern auch ein Signal. Schätzungsweise 10 bis 15 Prozent aller Frauen im gebärfähigen Alter leiden unter der schmerzhaften Erkrankung, doch sie wurden lange nicht ernst genommen. Das sollte sich endlich ändern - nicht nur in Deutschland. Anfang 2022 hatte der französische Staatspräsident Emmanuel Macron bereits angekündigt, eine nationale Strategie zur Bekämpfung der lange unterschätzten Krankheit anzustoßen.
Seither hat sich viel getan. Die größere Aufmerksamkeit und die Finanzspritzen haben dazu geführt, dass die Krankheit immer besser verstanden wird. Es gibt neue Behandlungsmöglichkeiten, aber auch eine bessere Diagnostik. Allein das ermöglicht schon einen neuen Blick auf die Krankheit. Denn gerade weil die Endometriose früher kaum festzustellen war, ohne dass man den Bauch der Patientinnen öffnete und darin nach dem entzündlichen Gewebe suchte, das die Krankheit verursacht, wurden die Beschwerden der Patientinnen von Ärzten oft abmoderiert. Wenn es keine eindeutige Diagnose gibt, wird die "Alles nur psychisch"-Keule schnell geschwungen.
Einen zuverlässigen Biomarker, das Nonplusultra für die Diagnose von Erkrankungen, gibt es bei der Endometriose allerdings immer noch nicht. Damit sind charakteristische Messwerte oder Moleküle gemeint, die im Gewebe, im Blut oder anderen Körperflüssigkeiten nachweisbar sind und einen eindeutigen Hinweis auf eine Erkrankung geben. Für Herzinfarkt, Diabetes und manche Krebsarten gibt es so etwas zum Beispiel, bei der Endometriose nicht. Ein Speicheltest, der im vergangenen Jahr stark beworben wurde, konnte die Hoffnungen, die manche in ihn setzten, nicht erfüllen. "Der Test ist kein Thema mehr", sagt Stefanie Burghaus, die Leiterin des Endometriosezentrums am Universitätsklinikum Erlangen. "Ein Biomarker wäre elegant, aber die Hoffnung hat sich erst einmal zerschlagen", sagt Sven Mahner, der Direktor der Frauenklinik an der Universität München. "Aber auch ohne so ein Werkzeug und ohne dass man in einer Operation Gewebeproben entnimmt, kann man relativ sicher sein."
Medizin:Ist die Ursache für Endometriose gefunden?
Forschende haben im Gewebe betroffener Frauen Keime entdeckt, welche die schmerzhafte Unterleibserkrankung auslösen könnten. Bestätigt sich der Verdacht, gäbe es eine neue Behandlungsoption.
So liefere eine sorgfältige Anamnese bereits sehr klare Hinweise, betont Thomas Kolben, der das Endometriosezentrum am Universitätsklinikum München leitet. Zu den Kardinalsymptomen der Endometriose gehörten schwere Schmerzen während der Menstruation, beim Wasserlassen, beim Stuhlgang und beim Geschlechtsverkehr. Auch ein unerfüllter Kinderwunsch sei oft ein Alarmzeichen: "Bei 20 bis 50 Prozent der Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch liegt eine Endometriose vor", so Kolben. Zudem haben Betroffene oft einen unregelmäßigen Stuhlgang und fühlen sich um die Periode herum aufgebläht. Tast- und Ultraschalluntersuchungen können den Befund abrunden. "Dann ist die Endometriose mit hoher Wahrscheinlichkeit diagnostizierbar", sagt auch Stefanie Burghaus.
Dennoch suchen Frauen im Durchschnitt immer noch sechs Jahre lang nach einer Erklärung für ihre Symptome, bevor sie eine Diagnose erhalten. Oft sind sie zuvor von Arzt zu Arzt gelaufen. Das wäre eigentlich nicht nötig, wenn das gerade wachsende Bewusstsein für die Erkrankung größer wäre.
Hinweis der Redaktion: Im SZ-Gesundheitsforum sprechen Expertinnen und Experten am 24. April ab 19.30 Uhr online über neue Strategien und Behandlungsmöglichkeiten, es werden auch Fragen von Zuschauenden beantwortet. Die Teilnahme ist kostenlos, eine Anmeldung zum Livestream ist erforderlich unter sz.de/erleben .