Einsatz unerprobter Ebola-Medikamente:WHO wagt einen heiklen Schritt

Einsatz unerprobter Ebola-Medikamente: Zugelassen, aber wenig hilfreich: Die bislang von den Helfern ausgegebenen Ebola-Medikamente lindern lediglich die schweren Symptome.

Zugelassen, aber wenig hilfreich: Die bislang von den Helfern ausgegebenen Ebola-Medikamente lindern lediglich die schweren Symptome.

(Foto: Michael Duff/AP)

Seit Wochen wird diskutiert, ob in Westafrika angesichts der tödlichen Ebola-Welle Medikamente eingesetzt werden, die bisher nur an Tieren getestet wurden. Jetzt befürwortet die Weltgesundheitsorganisation den Schritt. Dabei sollen keine Assoziationen mit "Menschenexperimenten" aufkommen.

Von Kathrin Zinkant

Es ist ein Hoffnungsschimmer inmitten des Schreckens, den die Seuche Ebola in Afrika seit Monaten verbreitet. Nach ausführlichen Beratungen eines Expertengremiums hat sich die Weltgesundheitsorganisation WHO grundsätzlich dafür ausgesprochen, nicht zugelassene Arzneien in der Behandlung der Ebola-Patienten in Westafrika einzusetzen. Die internationale Gesundheitsbehörde teilte am Dienstag mit, dass der bislang schwerste Ausbruch der hochansteckenden Viruserkrankung die Maßnahme rechtfertige.

Zugleich betont die WHO allerdings, dass vor einem Einsatz der Medikamente noch offene Fragen geklärt werden müssten. Die Fachleute müssen zunächst die wissenschaftlichen Hintergründe der verschiedenen Wirkstoffe ausloten. Nicht alle eignen sich gleichermaßen für den versuchsweisen Einsatz. Es soll zudem sichergestellt werden, dass die Patienten ihr "informiertes Einverständnis" mit einer Behandlung erklären können, dass sie also wissen, was mit ihnen passiert und welche Risiken es gibt. Zusätzlich fordern die Gesundheitsexperten eine akribische Dokumentation aller Therapieverläufe, um die Mittel gegebenenfalls wieder aus dem Verkehr ziehen zu können.

Drei infizierten Menschen wurde ZMapp verabreicht - überlebt haben nicht alle

Laut WHO hat die Zahl der Todesopfer in den betroffenen Ländern bereits die Tausend überschritten. Mehr als 1800 Menschen haben sich seit Beginn der Epidemie mit dem Erreger angesteckt. Bislang standen den medizinischen Helfern im Seuchengebiet lediglich Medikamente und Maßnahmen zur Verfügung, die die schweren Symptome der Infektion lindern, sie aber nicht ursächlich bekämpfen können.

Seit Wochen wird deshalb darüber diskutiert, ob statt der zugelassenen, aber wenig hilfreichen Mittel experimentelle Wirkstoffe und Impfungen eingesetzt werden sollen. Es gibt mindestens sechs solcher Medikamente und Impfstoffe, die in Tierversuchen vielversprechende Ergebnisse lieferten, an Menschen bislang aber nicht erprobt wurden. Ob sie sicher und wirksam sind, ist unbekannt. Der bekannteste dieser Wirkstoffe, ein Antikörper-Präparat mit Namen ZMapp, war zwei infizierten amerikanischen Helfern und einem an Ebola erkrankten spanischen Priester nach der Rückkehr in die Heimat verabreicht worden. Am Dienstag wurde bekannt, dass das Präparat nun erstmals auch direkt in Westafrika genutzt wird: Zwei infizierte Ärzte in Liberia sollen mit ZMapp therapiert werden.

Wie gut der Antikörpermix hilft und ob er überhaupt eine Wirkung entfaltet, bleibt angesichts der geringen Zahl von Behandelten vorerst unklar. Die Amerikaner sind nach derzeitigen Informationen wohlauf. Dem 75-jährigen Spanier konnte das Mittel jedoch nicht mehr helfen. Er war fast eine Woche, nachdem die ersten Symptome der Erkrankung aufgetreten waren, zwei Tage lang in einer Madrider Klinik mit ZMapp behandelt worden und am Dienstagmorgen verstorben.

Stehen die Impfstoffe überhaupt zur Verfügung?

Der Fall zeigt auch, dass ein Einsatz der ungeprüften Mittel andere Maßnahmen keinesfalls überflüssig machen wird. Vor allem in Ländern, in denen sich die Seuche gerade erst auszubreiten beginnt, wie derzeit Nigeria, können die Behörden noch sämtliche Kontaktpersonen der Erkrankten verfolgen und isolieren. Das verhindert den Ausbruch nicht zwingend, bremst ihn aber und schafft die dringend nötige Zeit, um die Bevölkerung über die Krankheit zu informieren und über hygienische Maßnahmen aufzuklären. Es wird zudem noch dauern, bis überhaupt substanzielle Mengen der experimentellen Medikamente und Impfstoffe zur Verfügung stehen.

Zeit werden auch die Verantwortlichen der Weltgesundheitsorganisation für die Vorsichtsmaßnahmen für das große Experiment Westafrika benötigen. Es ist ein heikler Schritt, die Verantwortlichen wollen sicherstellen, dass keine Assoziationen mit "Menschenexperimenten" aufkommen - obwohl es nötig sein wird, die Therapien in Form wissenschaftlicher Patientenstudien durchzuführen. Entsprechend äußern sich weitere Experten. So warnte ein britischer Virologe am Dienstag, man werde "am Ende so schlau sein wie zuvor", wenn man das Experiment nicht wie ein solches behandele und die Wirksamkeit sorgfältig untersuche. Immerhin einer muss nicht mehr darüber nachdenken, ob er an diesem Versuch teilnimmt: Der deutsche Student, der am Montag mit vermeintlichen Ebola- Symptomen in Ruanda in einer Klinik isoliert worden war. Er ist nicht infiziert.

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